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Anti-ACTA-Demo morgen / Positionspapier des bpm zu den Protesten und dem Copyright

Morgen findet in Frankfurt eine Demonstration gegen das ACTA-Abkommen statt. Das bündnis für politik- und meinungsfreiheit (bpm) hat dazu ein Positionspapier geschrieben.

<h2> Positionspapier des bündnis für politik- und meinungsfreiheit (bpm) zum Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) und Copyright</h2>
Seite des Bündnis: <a href="http://www.pm-buendnis.de/"> www.pm-buendnis.de</a>

Seit einiger Zeit gibt es Massenproteste gegen das internationale Abkommen ACTA und seine Durchsetzung. Vor allem Anonymus mobilisiert mit unterschiedlichsten Szenerien - von der kompletten Überwachung des Internetverkehrs über Zensur und bis hin zu möglichen Folgen von Verstößen gegen die neuen Regelungen.

<strong> Was ist ACTA?</strong>
Mit ACTA wird das Anti-Counterfeiting Trade Agreement bezeichnet. Die Absicht der Vereinbarung steckt schon im Titel: eine verbesserte, internationale Zusammenarbeit zur Bekämpfung des Handels mit gefälschten Produkten.

Dazu soll in jedem teilnehmenden Land die Möglichkeit geschaffen werden, in der Gesetzgebung eine Entschädigung für eventuell "entgangene Gewinne" aufgrund von Urheber*innenrechtsverletzungen und auf Verdacht haftungsfreier Einzug von beteiligten Geräten/Gegenständen festzuschreiben.

Ziel ist es laut Vorwort, unter anderem der finanziellen Schädigung "von Rechteinhaber*innen, legal arbeitenden Unternehmen" und der Gefährdung der "nachhaltigen Entwicklung der Weltwirtschaft" durch den Vertrieb von "rechtsverletzendem Material" entgegenzuwirken und zur Durchsetzung der Urheber*innenrechte "wirksame und angemessene Instrumente bereitzustellen, die den unterschiedlichen Rechtssystemen und der unterschiedlichen Rechtspraxis der Vertragsparteien Rechnung tragen".

Kurz: Es soll den einzelnen Ländern ermöglicht werden, entsprechend ihrer rechtlichen Auslegung Maßnahmen zum Schutze des Urheber*innenrechts und der dahinterstehenden Unternehmen oder Personen zu schaffen.

<strong> Inhaltliche Kritik an ACTA</strong>
Die Kritik an ACTA macht sich vor allem auf zwei Ebenen fest. Zum einen werden die Inhalte von ACTA, zum anderen die Strukturen kritisiert. In die Diskussion fließen oft auch Punkte ein, die sich auf einen früheren Verhandlungsstand von ACTA beziehen. Im Folgenden versuchen wir daher, die wesentlichen, auf den aktuellen Verhandlungsstand zutreffenden Kritikpunkte zusammenzufassen.

Die Formulierung des Abkommens lässt jedem Land in Sachen Verfolgung und Bestrafung von angeführten „Regelverstößen“ einen großen Spielraum und gibt daraus folgend eine breite Legitimation zur restriktiven Gesetzgebung. Damit schafft ACTA eine Legitimation dafür, was einzelne Staaten in ihrer Gesetzgebung nicht durchsetzen konnten: eine Grundlage zur verschärften Kontrolle des Urheber*innenrechtes und dem Gebrauch des von ihm geschützten Inhalts.

Durch ACTA wird jeglicher "Missbrauch" dieser Inhalte kriminalisiert: ob vorsätzlich, also mit dem Wunsch der eigenen Bereicherung, oder nicht, spielt keine Rolle mehr.

Neben dem Ansatz, in den Mitgliedsstaaten eine Umsetzung von Minimalkriterien in verschiedenen Bereichen des Urheber*innenrechtes festzuschreiben, ermöglicht das Abkommen die Einrichtung von Instrumenten der Überwachung und Kontrolle. Ähnliche, teilweise durch Protest ausgesetzte Abkommen wie SOPA, sind darin noch konkreter und schreiben schon mögliche Strafen für Regelverletzungen vor. Das ist bei ACTA aber nicht der Fall.

<strong> Strukturelle Kritik an ACTA</strong>
Neben diesem Inhalt wird vor allem die Entstehung und Durchsetzung des Abkommens scharf kritisiert. Seit einigen Jahren verhandelten Regierungen unter strenger Geheimhaltung über die Möglichkeit der internationalen Festschreibung des Copyrights. Ein wesentlicher Impuls für die Verhandlungen ging von den Lobbyverbände der Rechteverwertungsindustrie aus. Sie drängen schon seit Jahren zu einer immer restriktiveren Gesetzgebung.

Der Verlauf der Verhandlungen wird als bis zuletzt intransparent und für die Öffentlichkeit nicht nachvollziehbar kritisiert. Bis heute wurden kaum Folgeabschätzung über die Auswirkungen von ACTA auf Grundrechte durchgeführt.

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass ACTA die Erschaffung einer neuen, international agierenden Institution vorsieht, deren Mitglieder durch die Regierungen bestimmt und von Lobbyist*innen beraten werden: der ACTA-Ausschuss. Dieser Ausschuss erhält diverse Rechte und ist für die Umsetzung und Auslegung des Abkommens in den Mitgliedsstaaten verantwortlich, außerdem kann er ohne öffentliche Rechtfertigungspflicht Teile des Abkommens auch nach Unterzeichnung noch ändern.

<strong> Die künstliche Begrenzung der Kreativität</strong>
Bei den vielen Diskussionen um den Unsinn von ACTA und die Vorteile einer weniger restriktiven Handhabung des Copyrights geht es den Kritiker*innen meist um die daraus folgende Entkriminalisierung der Urheber*innenrechtsverletzenden, z.B. bei sogenannten „illegalen Downloads“. Die Legalisierung des eigenen Handelns ist also eigentliche Motivation für den Protest. Weitergehende Kritikpunkte, wie die künstliche Begrenzung der Kreativität und Vielfalt der Kunst, dienen eher als Überzeugungshilfe. Sie werden als Kritikpunkt zwar leidenschaftlich angeführt, aber nicht zu Ende gedacht.

Bei der künstlichen Begrenzung der Kreativität und Vielfalt von Kunst ist das eigentliche Problem nämlich nur unwesentlich die Ausgestaltung des Copyrights oder die strafrechtliche Verfolgung von Copyright-Verletzungen.

<strong> Was ist Copyright?</strong>
Das Copyright bezeichnet das "Recht auf Schutz geistigen Eigentums" und wird hier als Oberbegriff für jegliches Gesetz und rechtliche Form zum Schutz "geistigen Eigentums" genutzt. Es regelt die Rechte daran, "Werke" zu kopieren, zu verändern, aufzuführen und als Autor*in namentlich genannt zu werden. Die Idee dahinter: Durch Kontrolle über und Profit durch das "geschaffene Werk" werden Menschen motiviert, Neues zu kreieren. Letztendlich soll dadurch eine Vielfalt an Ideen und ihren Umsetzungen entstehen.

Dahinter steckt aber ein grundsätzlicher Widerspruch: Kontrolle und Profitinteresse sind Ziele, die den Idealen Vielfalt, Kreativität und Freiheit, die grundlegend für eine Kreativität und Vielfalt von Kunst sind, fundamental entgegenstehen.

<strong> Die Verwertungslogik der Kunst</strong>
Letztendlich dient die Kontrolle über "geschaffene Werke" nur der besseren Wahrnehmung des Profitinteresses. Ein Mensch, der seine geschaffene Kunst nicht verkaufen will, der braucht keinen Schutz vor Vervielfältigungen, Fälschungen oder darauf aufbauender Kunst - im Gegenteil: Er freut sich, dass seine Kreativität Anklang findet und Inspiration für weitere Kunst ist. "Kontrolle" ist nur nötig, wenn es ein Verwertungsinteresse am "geschaffenen Werk" gibt - sie ist kein Selbstzweck.

Durch das Copyright wird Kunst also völlig auf die Verwertung reduziert, das Copyright legt die Regeln der Verwertung der von Individuen "geschaffenen Werke" fest. Es teilt die Menschen in die Kategorien "Schaffende" und "Nutzende", die jeweils einzelnen "Werken" zugeschrieben werden.

<strong> Die Praxis</strong>
Die Auswirkungen sind absurd: Statt allen Menschen den Spielraum einzuräumen, ihren Ideen und Vorstellungen freien Lauf zu lassen, haben Einzelne plötzlich einen Eigentumsanspruch auf "ihre" Ideen, wie zum Beispiel die Autor*innen dieses Textes auf eben diesen. Mit der Grenze, ab wann eine Idee so "besonders" oder "speziell" ist, dass sie dem Copyright unterliegt, wird ein willkürlicher Rahmen geschaffen, der ganze, auf die Idee folgende Gedankenstränge verbietet.

Die mit dem Copyright geschaffene Verwertungsindustrie hat ihre einzige Aufgabe - die Verwertung von Kunst - perfektioniert. Sie stellt einzelne Künstler*innen - die "Stars" - in den Vordergrund, um möglichst massenkompatible Kunst möglichst gewinnbringend zu verwerten. Mit den bestehenden Verteilungsmechanismen wie dem der GEMA werden "Stars" bei der Verteilung der Einnahmen systematisch bevorteilt, während weniger bekannte Künstler*innen das Nachsehen haben. Die GEMA-Struktur bildet also auch ziemlich genau die gesellschaftliche Struktur wieder. Die Kreativität und Vielfalt der Kunst tritt dabei wie selbstverständlich in den Hintergrund.

<strong> Creative Commons - Der erste Schritt?!</strong>
Bleibt die Frage, ob alternative, gegen das Copyright gerichtete Ansätze wie Creative Commons oder Copyleft helfen, der Verwertungslogik zu entgehen. Fakt ist, dass vielen "geschaffenen Werken", die unter den genannten Lizenzen verbreitet werden, ein gegen die Verwertung von Kunst gerichteter Gedanke inne wohnt. Kreativität und Vielfalt der Kunst ist dort Ziel, weshalb möglichst uneinschränkende Lizenzen, die viele Freiheiten gewähren, gewählt werden.

Die bereits angebrachte Kritik, dass dieser Ansatz nicht zu Ende gedacht wird, trifft aber auch hier zu. Die Kategorien von Schaffenden und Nutzenden und der Eigentumsanspruch für das "geschaffene Werk" werden mit einer solchen Lizenznutzung stillschweigend akzeptiert.

<strong> Zwang zur Verwertung</strong>
Damit ist die Forderung der Abschaffung aller Formen des Copyrights wie Patentrecht, Markenrecht und Urheber*innenrecht die logische Konsequenz aus der bestehenden Kritik. Aber auch dieser Ansatz ist nicht tiefgreifend genug: Die Abschaffung des Copyrights ändert nämlich noch nichts am grundlegenden Problem der Verwertung. Mit der Abschaffung sind nur die "Verwertungsregeln" hinüber. Der Zwang zur Verwertung besteht weiterhin.

Den Zwang zur Verwertung kennen wir alle. Es ist der Zwang, arbeiten zu gehen, Miete zu zahlen und zu konsumieren. Dieser Zwang liegt allen gesellschaftlichen Prozessen und unser aller Leben zugrunde, er betrifft alle und steuert unsere Interessen. Dieser Zwang heißt Kapitalismus.

Kritik an der Verwertung von Kunst ist zugleich Gesellschaftskritik. Denn: Freiheit, Kreativität und Vielfalt von Kunst lässt sich nur mit einer Überwindung der bestehenden Verhältnisse erreichen.

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