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Roger Behrens: Bemerkungen zur poststrukturalistischen Theoriemode

Montag, 9. Juni 2014 - 20:00
Ort: 
Oetinger Villa (Kranichsteiner Straße 81)

Bereits in den späten sechziger und dann vor allem siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts kündigte sich eine fundamentale Transformation radikaler Gesellschaftstheorien an, die in den neunziger Jahren, also nach dem Zusammenbruch des Realsozialismus, schließlich manifest wurde: Diese Transformation tangierte alle Schlüsselkategorien der Gesellschaftskritik, einschließlich die Begriffe von »Gesellschaft« und »Kritik« selbst; sie bedeutete eine explizite Zurückweisung der dialektischen Methode und des historischen Materialismus, und damit implizit eine Abwendung von der kritischen Theorie der Gesellschaft, wie sie von Horkheimer, Marcuse, Adorno und anderen begründet wurde. Marx’ Theorie, sofern seine Kritik der politischen Ökonomie überhaupt noch eine Rolle spielte, wurde nicht mehr als Fortsetzung und Aufhebung der Systemphilosophie Hegels interpretiert. Stattdessen wurden einerseits philosophisch – maßgeblich durch Gilles Deleuzes ›Differenz und Wiederholung‹ (1968) – Heidegger und die Ontologie rehabilitiert, wurde andererseits Sozialgeschichte mit einem an Nietzsche orientierten »fröhlichen Positivismus« von jeder utopischen Perspektive einer emanzipatorischen Geschichtsteleologie gereinigt – zu verweisen ist hierbei im Sinne einer Archäologie auf Michel Foucaults Studien ›Wahnsinn und Gesellschaft‹ (1961) und ›Überwachen und Strafen‹ (1975). Im Mittelpunkt dieses dann so genannten Poststrukturalismus stand – vor allem durch die Arbeiten Foucaults geprägt – eine »Diskursanalyse«, die sich zur Aufgabe stellte, die verborgenen Mechanismen der Macht freizulegen, die nicht etwa nur den Menschen unterdrücken, sondern die den Menschen und die moderne Erzählung von seinem Wesen und dessen Unterdrückung überhaupt erst hervorbringen. In der Ablehnung eines emphatischen Begriffs des Subjekts, und damit auch des dialektischen Motivs von Subjekt-Objekt, wie es für die kritische Theorie entscheidend ist, verteidigt der Poststrukturalismus insofern einen radikalen Antihumanismus und ersucht die sowohl pädagogische wie auch psychologische Disziplinierung des Menschen zu durchbrechen.

Weitergehender Text: http://alt.rogerbehrens.net/deleuze_fsk.pdf