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"Keine Furcht vor Monotonie!": Typenbau und Alltagsleben | Torsten Lange

Wednesday, May 24, 2017 - 6:30pm to 8:00pm
Ort: 
S1|03/223

„Keine Furcht vor Monotonie!“ Typenbau und Alltagsleben

Wie ein Schatten begleitet der Vorwurf der Monotonie die moderne Architektur. Die Langeweile, Unwirtlichkeit, gar Lebensfeindlichkeit einer durch seriell gefertigte Gegenstände (Bauten eingeschlossen) geprägten Umwelt sei dabei das Gegenstück zur stupiden Eintönigkeit und Uniformität industrieller Arbeit. Obschon sich Architekten bereits im 18. Jahrhundert den Fragen von Monotonie und Langeweile aus ästhetischer Perspektive zuwandten, wurden diese erst Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts umfassend „problematisiert“ und entwickelten sich schließlich vor dem Hintergrund der Industrialisierung des Bauens sowie dem großflächigen Umbau der Städte in der Nachkriegszeit zunehmend zu Kampfbegriffen des Architekturdiskurses. Speziell in der ideologischen Auseinandersetzung in der Zeit des Kalten Krieges kam dem Problem der Monotonie eine zentrale Stellung zu. Betrachtete man sie auf Seiten des Sozialismus als notwendiges Resultat des bauwirtschaftlichen Profitstrebens im kapitalistischen Westen, wurde sie dort wiederum zum Sinnbild entindividualisierter und autoritärer Herrschaftsverhältnisse im Osten, zum Symbol der Lebensverhältnisse in der Diktatur. Beiden gemein war dabei aber nicht nur ein – bis auf wenige Ausnahmen – negatives Verständnis von Monotonie, sondern interessanterweise auch der Gegenstand, dem diese Eigenschaft zuallererst zugesprochen wurde: der industrialisierte Massenwohnungsbau.

Anders der von 1956 bis 1969 in der DDR lebende Schweizer Architekt Hans Schmidt, für kurze Zeit Hauptarchitekt am Institut für Typung in Berlin. Ihm zufolge war „Die Frage der Monotonie (…) kein ästhetisches, sondern ein gesellschaftliches Problem.“ Aus diesem Grund unterzog er jene – aus seiner Sicht – zweideutigen psychologischen Muster einer Kritik, auf denen die allgemeine Abscheu vor Monotonie und mit ihr assoziierten Gestaltungsprinzipien wie Vereinheitlichung und Rationalisierung basierten. Mit Fokus auf Schmidt beleuchtet der Vortrag die periodisch aufflammende Monotoniedebatte in der DDR. Dabei soll nicht nur der Versuch einer breiteren Einordnung seiner Ideen unternommen werden, welche im Dialog mit den Positionen des Rationalismus in der Sowjetunion in den 1920er Jahren einerseits zu stehen schienen – ihrerseits auf den Erkenntnissen der experimentellen Psychologie zur Wahrnehmung von Raum und Form aufbauend – und die andererseits Aldo Rossis Programm einer rationalen Architektur in den 1970er Jahren prägten. Gleichzeitig werden Forschungen zur Stadtgestaltung aus den 1960er Jahren beleuchtet, deren Ziel die Überwindung der Erfahrung von Monotonie war, und die auf internationalen Untersuchungen zur Wahrnehmungspsychologie aufbauten. Eine dritte Ebene bilden Analysen zu Wohnen und Alltag seit Ende der 1960er Jahre. So soll gezeigt werden, dass fachöffentliche Monotoniekritik wie auch Lösungsansätze nicht schlechthin ideologischen Vorgaben der Parteiführung oder der Logik des Systemkonflikts folgten, sondern ebenso auf ein Arsenal empirischer und wissenschaftlicher Erkenntnisse zurückzugreifen suchten, welche über den engen diskursiven Rahmen der Architektur in der DDR hinauswiesen.