Vortrag: Russlands Krieg gegen die Ukraine und die Kritik der Geopolitik
Wenn Russland seine Nachbarstaaten angreift und bedroht, kann es auf das Verständnis nicht nur Linker und Friedensbewegter zählen. Der Verweis auf „legitime Sicherheitsinteressen“, die ignoriert worden seien, macht es möglich, Russlands Aggressionen und den jetzigen Krieg gegen die Ukraine in geopolitischen Kategorien zu fassen, und zwar in der spezifischen Weise deutscher Ideologie. Das russische Vorgehen lässt sich so als einer rationalen Einsicht folgend objektivieren und legitimieren; von der NATO immer weiter unter Druck gesetzt, gehorcht Russland dieser Darstellung folgend geradezu einem ‚geopolitischen Zwang‘. Auf diese Weise wird das Denken in Einflusssphären beglaubigt, wonach die Ukraine eben akzeptieren müsse, nicht primär Subjekt, sondern Objekt zwischenstaatlicher Beziehungen zu sein. Ein so verstandener Primat der Außenpolitik erlaubt es, über die Verhältnisse im Inneren Russlands hinwegzusehen. Es gilt jedoch, diesen Primat genau andersherum zu begreifen: Es ist die spezifische Herrschaftsform‘ des von Putin geschaffenen Systems, die zum Krieg und zur außenpolitischen Aggression treibt, um die prekäre politische Einheit im Inneren zu wahren.
Es referiert Thorsten Fuchshuber. Thorsten Fuchshuber lebt in Brüssel und ist Mitglied der Redaktion der ideologiekritischen Zeitschrift Sans Phrase und veröffentlicht beispielsweise in der Wochenzeitschrift Jungle World, bei iz3w . 2019 ist be ca ira seine umfassende Studie zur Racketteheorie der kritischen Theorie erschienen, die aus dieser Perspektive auch eine Analyse der Russischen Föderation vornimmt.
Zuletzt zum Thema erschienen: (zusammen mit David Hellbrück) "Ein Meister der Rackets ist noch kein Gegenhegemon. Gespräch über Russlands Machtgefüge und den Ukraine-Krieg 2022" (Sans Phrase, Heft 20).