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Bologna Burns - Gegenkongress in Wien

Vom 11. bis 12. März sind BildungsministerInnen aus 46 Staaten zur 10-Jahre-Jubiläumskonferenz des Bologna-Prozesses nach Wien und Budapest geladen. Angesichts der Zustände an den Universitäten und im gesamten Bildungsbereich sehen wir jedoch keinen Grun

mailto:Liebe Freundinnen und Freunde! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Vom 11. bis 12. März sind BildungsministerInnen aus 46 Staaten zur 10-Jahre-Jubiläumskonferenz des Bologna-Prozesses nach Wien und Budapest geladen. Angesichts der Zustände an den
Universitäten und im gesamten Bildungsbereich sehen wir jedoch keinen Grund zu feiern. Die breiten Proteste für freie Bildung haben deutlich gemacht, dass es hier um weit mehr als die Interessen von Studierenden geht.
Diejenigen, die die Wirtschaftskrise nicht verursacht haben, sollen für sie zahlen. Die gesamtgesellschaftlichen Missstände machen es erforderlich, dass wir für unsere Forderungen und Interessen gemeinsam eintreten müssen. Wir rufen zur Unterstützung der internationalen Demonstration und des organisierten Gegengipfels auf!
Termine
03.03. 19:00 2. Aktionsbündnistreffen, Campus Universität Wien, Aula
(Spitalgasse 2-4, 1090 Wien, Altes AKH Hof 1)
11.03. 15:00 Internationale Demonstration, Westbahnhof Wien
12. - 14.03 Gegengipfel, Campus Universität Wien

Angesichts der im Vergleich zu den USA sinkenden Anteile der EU am Weltmarktwachstum wurde 1997 in Lissabon eine Strategie beschlossen, die die EU bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten Raum der Welt machen sollte. Das Papier, das sich wie ein neoliberales Lehrbuch liest, bedeutete praktisch eine Eskalation der Angriffe auf den Sozialstaat, einen rasanten Ausverkauf öffentlichen Eigentums, und die Nivellierung und Angleichung von Sozialstandards und Lohnniveaus nach unten unter dem Druck der Standortlogik. Im Sinne der Herstellung der Wettbewerbsfähigkeit wurden Lohnabschlüsse unter der Inflationsrate und damit Reallohnverluste abverlangt, die Steuerlast wurde weiter massiv von der ArbeitgeberInnen- auf
die ArbeitnehmerInnenseite umgeschichtet, und Arbeitsrecht sowie soziale Rechte mussten informellen und prekarisierten Arbeits- und Lebensverhältnissen weichen.
Ein zentraler Bestandteil der Lissabon-Strategie ist das „Kapital Wissen“ und die „Wissensgesellschaft“. Diese wird zu einer tragenden Säule der Wettbewerbsfähigkeit und zur strategischen Ressource. Damit das möglich ist, muss Wissen von einem öffentlichen Gut in ein privates, handelbares Gut umdefiniert werden. Aber Wissen als öffentliches Gut stellt auch ein soziales Recht auf Wissen und Bildung dar, sein Nutzen geht weit über den einer ökonomischen Verwertbarkeit hinaus und drückt sich auch in philosophischen, soziologischen und politischen Fragestellungen aus. Wird die Produktion und Reproduktion von Wissen - wie im Rahmen der Lissabonstrategie und der nachfolgenden Strategiepapiere (Bolognareform,…) - entsprechend Modellen aus der Privatwirtschaft (Universitätsrat als Aufsichtsrat) und exklusiv (Zugangsbeschränkungen), sowie nur für zahlungskräftige Kundschaft (Studiengebühren) organisiert, geht dieser gesellschaftliche Anspruch von Wissen und Bildung verloren. Nunmehr wird „Employability“ und „Verwertbarkeit“ zum alleinigen Zweck der Tätigkeit der Beschäftigten
im „Wissensbetrieb“. „Outputkriterien“ und „Benchmarking“ machen die Erfüllung dieses Zwecks quantifizierbar und erzeugen gemeinsam mit Mangelfinanzierung eine strikte Unterordnung von Qualität und Reflexion unter die Effizienz und den kurzfristigen Nutzen für die Profite der Finanziers
der „Bildungseinrichtungen“.
Die Bolognareform ist der programmatische Ausdruck des Ziels der Zerschlagung der öffentlichen Bildung und deren Teilung in eine „Ausbildung“ für die breite Masse (minimalisierte Bachelorstudiengänge vergleichbar mit Fachhochschulen) und einer Elitenreproduktion im Master aber v.a. im PhD. Ein dreigliedriges Universitätssystem ersetzt das ehemals zweigliedrige
(Diplom und Doktorat) und ermöglicht durch Zugangsbeschränkungen und
Gebühreneinhebung zusätzliche Selektion. Interdisziplinarität und Mobilität wird durch den Ersatz der Wahlfächer durch inadäquate Module und verschulte Studienpläne, die mehr „Stundenplänen“ gleichen, entgegen den anders lautenden Beteuerungen der LobbyistInnen dieser Reform verunmöglicht.
Hinzu kommt der Abbau von Mitbestimmung und Demokratie an den Universitäten, die im Sinne der Effizienz als hinderlich betrachtet werden. Diese Entdemokratisierung drückt sich in Österreich im Universitätsgesetz 2002, ihrer Novelle 2009 und in der ÖH-Wahlrechtsreform 2004 aus.

Auch die Bemühungen zur Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit erfahren einen harten Rückschlag. Nach der Einführung der Studiengebühren ging der Anteil der Doktoratstudentinnen zurück, und das in einer Situation wo keine einzige österreichische Universität von einer Rektorin geführt wird.
Wir sehen den Bildungsabbau als Teil eines weit reichenden allgemeinen Sozialabbaus.
ArbeitnehmerInnen aus dem Gesundheits- und Sozialbereichs werden mit einer Lohnerhöhung von 0,9 Prozent abgespeist, dabei liegen dort die Löhne und Gehälter schon jetzt um fast 20 Prozent unter dem Durchschnittseinkommen aller Beschäftigten. Unter dem Motto „in Zeiten der
Krise müsse jeder kürzer treten“ möchte Finanzminister Pröll nun nach den vergangenen Sparprogrammen weitere 6 Mrd. einsparen und präsentierte kürzlich ein „Stabiltätsprogramm“, in dem weitere Kürzungen der Sozialausgaben genannt werden.
Angesichts der Milliardenunterstützung für Banken, die nach wie vor Rekorddividenden ausschütten (Erste Bank) bzw. durch kriminelle Machenschaften Spareinlagen vernichteten (Hypo – es gilt die Unschuldsvermutung) ist das Argument der „Sachzwänge“, mit welchem
behauptet wird, es gäbe weder Geld für die Finanzierung der öffentlichen Bildung, noch für Pensionen und Sozialleistlungen, blanker Zynismus.
Zynisch ist auch, dass die WissenschaftsministerInnen von 46 Staaten, in denen der Bolognaprozess umgesetzt wurde, am 11. und 12. März zur 10-Jahre-Jubiläumskonferenz des Bolognareform nach Wien und Budapest laden, um eben diese Verhältnisse zu feiern. Der Gipfel wird dabei unter anderem deshalb in Österreich ausgerichtet, weil Österreich als Musterland in
der Umsetzung der Bologna-Reform gilt.

Unterstützungsaufruf

Um eine breite Unterstützung der internationalen Demonstration unter dem Motto „Gemeinsam dem Bildungs- und Sozialabbau entgegentreten - Unsere Zukunft in unsere Hände!“ am Donnerstag, 11.03. zu erreichen, fordern wir euch auf, euch aktiv bei den Protesten zu beteiligen und gemeinsam mit uns auf die Straße zu gehen. Wir ersuchen euch, eure Netzwerke zu nutzen
und für die geplanten Proteste aufzurufen und zu mobilisieren.
Weiters wollen wir euch zur Teilnahme an unserem Gegengipfel „Endstation Bologna?!“ am 12.-14.03. einladen, wo ihr u.a. die Möglichkeit haben werdet, Workshops anzubieten und diese aktiv mitzugestalten.
Gemeinsam stehen wir für eine politische Praxis, die Menschen vor Profite stellt,
• gesamtgesellschaftliche Missstände nicht isoliert betrachten sondern solidarisch
bekämpfen will,
• über Alternativen eines sozialen Europas diskutiert,
• zu einer politischen Wende weg von Neoliberalismus hin zu solidarischen und
verantwortungsvollen Formen des Zusammenlebens beiträgt,
• den Stellenwert von Bildung und Universität in der Gesellschaft thematisiert.
Bei einem 2. Aktionsbündnistreffen am 03.03. um 19 Uhr in der Aula der Universität Wien soll weiter über die Details der geplanten Proteste gesprochen werden. Zur Koordinierung würde es uns sehr helfen, wenn ihr uns eine kurze Rückmeldung geben könnt, ob ihr zu diesem Treffen kommt und wir euch auf die UnterstützerInnenliste setzen können.
Gemeinsam sind wir stark! Wir freuen uns auf eine dynamische und konstruktive Zusammenarbeit!

Rückfragehinweis:
Demonstration: presse.demo@bolognaburns.org 0650 5439833
Gegengipfel: alternativesummit@bolognaburns.org

Die LandesAstenKonferenz (LAK) Hessen organisiert einen Bus nach Wien und zurück. Wenn du mitfahren willst und/oder Fragen hast, schick eine kurze eMail an bildung@asta-marburg.de mit der Angabe deiner "Abfahrtsstadt" [der Bus wird in mehreren Städten innerhalb Hessens halten, damit Menschen zusteigen können] und deiner Kontaktmöglichkeit [deine Telefonnummer oder Email-Adresse] vor dem 01.03.
Selbstkostenbeitrag: €15,-.
Einfach Schlafsack und Isomatte einpacken, Übernachtungsmöglichkeiten und Verpflegung gibt's in Wien.

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