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Atomkraftwerke abschalten - 24.April Biblis umzingeln!

CDU und FDP prüfen eine Laufzeitverlängerungen deutscher Atomkraftwerke bis zu 60 Jahre, dabei war der Ausstieg längst beschlossen und die Mehrheit der Bevölkerung lehnt Atomstrom ab!

Atomkraft abschalten!

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Umzingelung des AKW Biblis am 24. April

Die Aktions- und Menschenkette ist nicht die einzige Anti-Atom-Großaktion in diesem Frühjahr. Mit einer Umzingelung des AKW Biblis in Südhessen wollen Gruppen aus dem Süden Deutschlands dem Atomausstieg auf die Beine helfen. Der Reaktor A in Biblis gehört zu den ersten Abschaltkandidaten, da er - dem rot-grünen "Atomkonsens" folgend - noch in diesem Jahr seine Reststrommengen verbrauchen wird. Biblis A ist der älteste Reaktor in Deutschland. Seine Sicherheitsmängel sind skandalös.

Das (vorläufige) Programm:

12:30 Uhr: Ankunft am Bahnhof Biblis und an weiteren Standorten

14:00 Uhr: Kundgebung vor dem AKW Biblis, zwischendurch Musik, Infostände

14:45 Uhr: Start der Umzingelung

15:15 Uhr: Das AKW Biblis ist umzingelt!

15:30 Uhr: Massenhaftes Die-In, Auflösung der Umzingelung

16:00 Uhr: Kulturprogramm mit Konzerten etc.

17.00 Uhr: Offizielles Ende

Gefahrenquelle Atomkraftwerk Biblis
Donnerstag, den 18. Februar 2010 um 11:07 Uhr
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Atomkraftwerk BiblisDas Atomkraftwerk Biblis befindet sich in Südhessen am Rhein zwischen Worms und Darmstadt und besteht aus den beiden Reaktorblöcken Biblis A und Biblis B. Die Pläne für den Bau von zwei weiteren Blöcken Biblis C und D wurden nach über 55.000 Einwendungen von BürgerInnen und Demonstrationen mit bis zu 20.000 Leuten schließlich 1994 eingestampft. Die Anlage wurde von der zu Siemens gehörenden Kraftwerkunion KWU errichtet, ist zu 100% im Besitz der RWE und wird von der RWE Power AG betrieben.

Biblis A

Biblis A ist der älteste noch laufende Reaktorblock in der Bundesrepublik Deutschland. Der Bau dieses Druckwasserreaktors der 2. Generation begann am 1. Januar 1970 und seinen kommerziellen Betrieb mit einer elektrischen Bruttoleistung von 1225 MW nahm er am 26. Februar 1975 auf.

Schwachstellen

Fehlendes Notstandssystem

Biblis A und B sind die einzigen Atomkraftwerke in Deutschland, die nicht über ein unabhängiges Notstandssystem verfügen. Ein solches System enthält wichtige Sicherheitsfunktionen wie Notkühlung und Abschaltung, die bei Zerstörung wichtiger Anlagenteile durch Erdbeben, Flugzeugabsturz oder Anschläge den Reaktor unter Kontrolle bringen sollen, und ist bei neueren AKW von Anfang an vorgesehen und in einem unabhängigen, verbunkerten Gebäude untergebracht.

Die Nachrüstung eines verbunkerten Notstandssystems würde für beide Blöcke rund 450 Millionen Euro kosten. Der Betreiber RWE setzt statt dessen auf so genannte "Blockstützung", d.h. bei solchen Störfällen sollen Sicherheitssysteme des jeweils anderen Blocks einspringen. Diese Lösung ist jedoch problematisch, da von äußeren Einwirkungen wie Erdbeben, Stromausfällen oder Anschlägen leicht beide Blöcke betroffen sein können - dann würden die Notstandssysteme evtl. nicht mehr oder nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen. In der Vergangenheit ist es bei Störfällen oder Wartungsarbeiten bereits des Öfteren zu Ausfällen der Sicherheitsfunktionen für den jeweils anderen Block gekommen.

Hohes Risiko in der Probabilistischen Sicherheitsanalyse (PSA)

In der probabilistisch Sicherheitsanalyse (PSA) wird versucht, die Eintrittswahrscheinlichkeit bestimmter Schadensereignisse abzuschätzen. Bei deutschen AKW werden PSA im Rahmen der periodischen Sicherheitsüberprüfungen erstellt. Auch wenn die so ermittelten Werte mit Vorsicht zu genießen sind, da die Analyse niemals alle Schadensszenarien berücksichtigen kann (bei den meisten deutschen AKW werden zum Beispiel bisher Auswirkungen von Bränden und externen Einwirkungen nicht analysiert), können die ermittelten Werte zu einem relativen Risikovergleich der AKW heran gezogen werden. Biblis A hält den traurigen Rekord für die rechnerische Häufigkeit von sog. Gefährdungszuständen (Plant Hazard States) und hat damit ein mehr als 10-mal höheres Risiko als neuere Reaktoren. Unter den derzeit in Deutschland in Betrieb befindlichen Atomkraftwerken finden sich ähnlich schlechte Werte nur noch bei den Reaktoren Biblis B sowie Brunsbüttel.

Mangelnder Schutz gegen Flugzeugabsturz

Biblis-A gehört zu den drei durch Flugzeugabstürze (insbesondere Terrorangriffe) am stärksten verwundbaren Atomkraftwerken in Deutschland. Seine Reaktorkuppel ist nur gegen den Absturz eines kleinen Sportflugzeuges ausgelegt. Alle anderen deutschen AKW sollen mindestens den Absturz eines Starfighters, die meisten neueren Anlagen einen wesentlich schwereren "Phantom"-Kampfjet überstehen. Diese schwächere Auslegung würde bei einem tatsächlichen Absturz oder Terrorangriff in jedem Fall ein wesentlich höheres Risiko eines Super-GAUs bedeuten, auch wenn es sich z.B. um einen voll getankten Passagierjet handelt, für den auch die neueren Reaktoren nicht ausgelegt sind.

Auch der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz, Wolfram König, hatte bereits im Februar 2002 aufgrund einer Studie der Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) gefordert, Biblis-A wegen des Terror-Risikos zugunsten besser geschützter Reaktoren stillzulegen.

Mangelnde Erdbebensicherheit

Für die Auslegung eines Atomkraftwerks bezüglich Erdbebensicherheit ist die Stärke des so genannten Bemessungserdbebens ausschlaggebend, d.h. des stärksten Erdbebens, das sich nach wissenschaftlichen Erkenntnissen im Umkreis von 200km der Anlage ereignen kann. Bis Ende der 1990er Jahre ging man von einer maximalen Stärke von 7,75 auf der MSK-Skala aus. Schon für ein solches Erdbeben sind viele Anlagenteile im Block A nicht ausgelegt. Ein Expertengutachten im Auftrag der Aufsichtsbehörde kam jedoch 1999 zu dem Schluss, dass tatsächlich mit stärkeren Belastungen gerechnet werden muss, d.h. die maximal wirkenden Kräfte können bis zum Doppelten der bisherigen Annahmen betragen. Eine Nachrüstung, damit der Reaktor solchen Kräften Stand halten kann, wird als praktisch nicht machbar angesehen.

Bereits einmal, im April 1992, musste Biblis-A wegen eines Erdbebens kurzzeitig abgeschaltet werden.
Von September 2006 bis Februar 2008 stand der Reaktor still, weil tausende von Dübeln zur Verbesserung der Erdbebensicherheit von Rohrleitungen verkehrt eingebaut worden waren und ausgetauscht werden mussten.

Fehlende Rekombinatoren

Biblis-A ist das einzige AKW in Deutschland, das nicht über so genannte katalytische Rekombinatoren verfügt, die bei einer Kernschmelze in großen Mengen entstehenden Wasserstoff abbauen sollen. Wasserstoff bildet sich bei der Spaltung von Wassermolekülen durch die Strahlung, bildet explosionsfähige Gemische und führte z.B. 2001 zur Explosion eines Rohres im AKW Brunsbüttel und in Tschernobyl zur Explosion des Reaktors.

Allerdings kann zur Zeit auch nicht ausgeschlossen werden, dass solche Rekombinatoren selbst das Wasserstoffgemisch zünden könnten, womit sie genau die Explosion herbeiführen würden, die sie eigentlich verhindern sollen.

Bauartbedingte Schwachstellen

Biblis-A gehört zu den Druckwasserreaktoren der 2. Generation, zu der auch Biblis B, Neckarwestheim-I sowie Unterweser gehören. Diese Reaktoren (Alle Reaktoren der 1. Generation sind bereits abgeschaltet) weisen einige bauartbedingte Sicherheitsmängel auf. Hierzu gehört neben der schwächeren Auslegung des Sicherheitsbehälters insbesondere die geringere Redundanz und teilweise Vermaschung bei der Notstromversorgung.

Chronik: "Vermeidung" von Nachrüstungen

Nach dem schweren Störfall 1987 beauftragte das Hessische Umweltministerium den TÜV Bayern mit einer kompletten Untersuchung der Anlage, die 1991 abgeschlossen wurde. Auf dieser Grundlage erließ das Ministerium (unter der damaligen CDU-Regierung) einen Katalog von insgesamt 55 Auflagen (sog. "Weimar-Auflagen"), von denen 49 die Anlagensicherheit betrafen, unter anderem zur Verbesserung der Erdbebensicherheit und des Brandschutzes.

Der Betreiber RWE spielte jedoch auf Zeit, klagte gegen sämtliche Auflagen und reichte Genehmigungsanträge zum Teil erst sehr spät ein. Die Sicherheit der Anlage Biblis wurde zwischen 1991 und heute immer wieder zum Spielball der Politik zwischen den wechselnden Bundes- und Landesregierungen.

Im Rahmen des "Atomkonsens" wurde für Biblis-A eine Sondervereinbarung getroffen (Anhang 2 der Konsensvereinbarung und Erklärung des BMU vom 29.8.2000). Sie sah ein Paket von 20 Nachrüstungsmaßnahmen vor, die das BMU als besonders vordringlich ansah, und die bis Ende 2001 umgesetzt werden mussten. Von 1999 bis zum Ende der Revision 2005 wurden insgesamt 57 Maßnahmen mit Gesamtkosten von 270 Mio Euro umgesetzt, von denen sich 30 auf "Weimar-Auflagen" bezogen. Wichtige Punkte wie das fehlende Notstandssystem und ein ausreichender Erdbebenschutz wurden allerdings nach wie vor nicht verwirklicht. Mit der Begründung, wegen der relativ kurzen Restlaufzeit seien die Kosten für die entsprechenden Nachrüstungen dem Betreiber nicht zuzumuten, erklärte sich das BMU im Rahmen des Atomkonsenses zu diesen Zugeständnissen bereit. Im Gegenzug sicherte das RWE zu, keine Strommengen auf Biblis A zu übertragen, den Reaktor nach Aufbrauchen der Reststrommenge (ca. 2008) also definitiv stillzulegen.

Die Übertragung der noch ungenutzten Strommenge des AKW Mülheim-Kärlich auf Biblis A ist zudem durch das Atomgesetz ausdrücklich ausgeschlossen. Trotzdem beantragte RWE 2006 eine solche Strommengenübertragung ebenso wie eine Übertragung vom jüngeren AKW Emsland, um die Laufzeit für Biblis-A zu verlängern. Die Anträge wurden vom damaligen Bundesumweltminister Sigmar Gabriel 2007 und 2008 abgelehnt. Daraufhin reichte RWE Klage ein, die bezüglich Mülheim-Kärlich abgelehnt wurde. Über die Übertragung vom AKW Emsland wurde gerichtlich noch nicht entschieden.

Auffällige Störfälle und sonstige Ereignisse

1987: Beinahe-GAU

Am 16.-17. Dezember 1987 schrammte das AKW Biblis-A bei einem Kühlmittelverlust-Störfall nur knapp an einem Super-GAU vorbei - einer der schwersten Störfälle in der Geschichte der Atomkraft in Deutschland. Ein Ventil, dass das unter hohem Druck stehende radioaktive Kühlwasser des Primärkreislaufes vom Notkühlsystem trennt, versagte beim Anfahren des Reaktors und schloss nicht, was von der Betriebsmannschaft aber über 16 Stunden lang nicht bemerkt wurde. Eine leuchtende Warnlampe auf der Leitwarte wurde von zwei aufeinanderfolgenden Schichten die ganze Zeit entweder übersehen oder für einen Defekt der Anzeige gehalten. Erst die dritte Schicht bemerkte den Fehler.

Statt den Reaktor sofort herunterzufahren, versucht die Betriebsmannschaft mit einem Trick, das Ventil zu schließen. Ein Kontrollventil, dass den Primärkreislauf von einer Messleitung trennt, die für den hohen Druck nicht ausgelegt ist, wird absichtlich geöffnet, um das defekte Ventil "durchzuspülen", was aber misslang. In der Folge strömten 107 Liter radioaktives Kühlwasser aus, gelangten über die Messleitung in den Ringraum außerhalb des Sicherheitsbehälters und von dort in die Atmosphäre. Nur durch Glück gelang es, das Kontrollventil gegen den hohen Druck wieder zu schließen. Wäre das nicht gelungen, hätte die Messleitung wegen des hohen Druckes platzen können, und ein Verlust großer Mengen Kühlmittel wäre unvermeidlich gewesen. Ein solcher Kühlmittelverlust kann zu einer Kernschmelze und damit zum Super-GAU führen.

Gelangt das Kühlmittel, wie in diesem Fall, aus dem Sicherheitsbehälters hinaus, können auch Notkühlsysteme nur noch begrenzt eingreifen, da ihnen das Kühlmittel verloren geht.

Der Unfall führte letztendlich zu der oben erwähnten Untersuchung durch den TÜV und die 49 Sicherheitsauflagen.

Hohe Strahlenbelastung des Personals

Eine Untersuchung des BBU und BUND auf Grundlage von Daten des Deutschen Atomforums von 2001 ergab, dass Beschäftigte von Biblis-A und B höheren Strahlenbelastungen ausgesetzt sind als Beschäftigte in ähnlichen AKW. Von 1993 bis 1999 habe die durchschnittliche "Kollektive Jahresstrahlendosis" (Strahlungsmenge, der das gesamte Personal im Laufe eines Jahres ausgesetzt ist) des Personals 4,89 Sievert (Biblis-A) bzw. 4,36 Sievert (Biblis-B) betragen. Der nächstniedrigere Wert wurde im AKW Unterweser mit 1,96 Sievert gemessen und am niedrigsten war die Belastung im AKW Lingen mit 0,14 Sievert. Die vom Atomforum genannte Belastung liegt zwar unterhalb des Grenzwertes, kann jedoch langfristig z.B. Leukämie verursachen.

2003: Konstruktionsfehler des Notkühlsystems

Im April 2003 wurde durch Zufall entdeckt, dass die Ansaugöffnungen des Notkühlsystems im so genannten Reaktorsumpf zu klein waren und nicht den Genehmigungsunterlagen entsprachen: statt den in der Genehmigung von 1975 festgelegten 7,3 Quadratmetern hatten sie nur einen Querschnitt von 5,9 Quadratmetern, bzw. nur 3 statt 5,9 Quadratmeter freie Öffnung.

Eine ausreichend große Ansaugöffnung ist wichtig, damit der Reaktorkern im Notfall mit genügend Kühlwasser versorgt werden kann, um eine Kernschmelze zu verhindern. Bei einem Beinaheunfall, der sich 1992 im schwedischen AKW Barsebäck ereignete, verstopfte losgerissenes Isoliermaterial die Ansaugöffnungen und blockierte so das Notkühlsystem. In Barsebäck kam es nur deshalb nicht zur Kernschmelze, weil der Reaktor noch mit sehr geringer Leistung lief und die Situation daher noch unter Kontrolle gebracht werden konnte.

Der Fehler in Biblis-A war offenbar seit der Inbetriebnahme nicht bemerkt worden - auch dem TÜV war bei einer Inspektion der Ansaugöffnungen im Mai 1999 nichts aufgefallen. Das AKW lief also 28 Jahre lang ohne ausreichende Notkühlsysteme.

Auch die Betondecke über dem Sumpf war dünner als in der Genehmigung vorgesehen. Der Reaktor stand daraufhin neun Monate still, bis die Ansaugfläche vergrößert und die Betondecke verstärkt war. In den Jahren 2009/2010 wurden als weitere Maßnahmen engmaschigere Siebe vor den Ansaugöffnungen und eine Sumpfsiebrückspülung eingebaut, letztere soll verstopfte Siebe wieder freispülen.

2004: Notspeisesystem zur Hälfte ausgefallen

Am 12. Juli 2004 standen wegen eines Freischaltungsfehlers zwei der vier Notspeisepumpen für zweieinhalb Stunden nicht zur Verfügung. Wegen der Auslegung des Notspeisesystems hätten die zwei verbliebenen Pumpen "gerade noch" zur Störfallbeherrschung ausgereicht - eine dritte Pumpe hätte also nicht ausfallen dürfen. Trotzdem sehen der Betreiber und die Aufsichtsbehörden "keine sicherheitstechnische Bedeutung".

Biblis B

Mit dem Bau von Biblis-B, ebenfalls ein Druckwasserreaktor der 2. Generation, wurde am 1. Februar 1972 begonnen, seinen kommerziellen Betrieb mit einer elektrischen Bruttoleistung von 1300 MW nahm er am 31. Januar 1977 auf.

Schwachstellen

Biblis B diente als Referenzanlage für die "Deutsche Risikostudie Kernkraftwerke", die 1989 abgeschlossen wurde. Im Zuge der Untersuchungen und aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse wurden daher schon frühzeitig vielfältige Sicherheitsnachrüstungen durchgeführt. Trotz des gleichen Reaktortyps, gleichen Betreibers und ähnlichen Alters hat Biblis-B daher in vielen Punkten einen höheren Sicherheitsstandard als Biblis-A. Trotzdem ist auch Biblis-B von einer Reihe grundlegender Schwachstellen betroffen.

Hohes Risiko in der Probabilistischen Sicherheitsanalyse (PSA)

Bei der rechnerischen Häufigkeit von sog. Gefährdungszuständen (Plant Hazard States) hat Biblis-B zusammen mit Neckarwestheim-I den zweithöchsten Wert und ist damit im Betrieb etwa 10-mal riskanter als neuere Reaktoren. Unter den derzeit in Deutschland in Betrieb befindlichen Atomkraftwerken ist nur noch Biblis A schlechter.

Mangelnder Schutz gegen Flugzeugabsturz

Biblis B gehört zu den durch Flugzeugabstürze (insbesondere Terrorangriffe) besonders verwundbaren Atomkraftwerken. Seine Reaktorkuppel ist nur gegen den Absturz eines Flugzeuges von der Größe eines Starfighters ausgelegt. Die meisten neueren AKW sollen immerhin den Absturz eines wesentlich schwereren "Phantom"-Kampfjets verkraften. Diese schwächere Auslegung würde bei einem tatsächlichen Absturz oder Terrorangriff in jedem Fall ein höheres Risiko eines Super-GAUs bedeuten, auch wenn es sich z.B. um einen voll getankten Passagierjet handelt, für den auch die neueren Reaktoren nicht ausgelegt sind. Biblis liegt nur wenige Flugminuten entfernt vom drittgrößten europäischen Flughafen Frankfurt am Main mit durchschnittlich 1200 Flugbewegungen am Tag. Da die Reaktoren baulich nicht gegen einen Absturz nachrüstbar sind, wurde 2008 eine Vernebelungsanlage errichtet, durch die ein zielgerichteter Absturz vereitelt werden soll. Die Wirksamkeit der Anlage basiert dabei auf dem Prinzip Hoffnung, dass die Reaktoren im Nebel verfehlt werden.

Mangelnde Erdbebensicherheit

Zwar ist Biblis-B im Gegensatz zu Biblis-A für das bisher angenommene Bemessungserdbeben ausgelegt, nicht jedoch für die stärkeren Einwirkungen, von denen man nun ausgehen muss. Eine entsprechende Nachrüstung wird als praktisch nicht machbar angesehen. Biblis-B stand wegen der falsch montierten Dübel von Oktober 2006 bis Dezember 2007 insgesamt 14 Monate still.

Bauartbedingte Schwachstellen

Biblis B gehört zu den Druckwasserreaktoren der 2. Generation, zu der auch Biblis A, Neckarwestheim-I sowie Unterweser gehören. Diese Reaktoren (Alle Reaktoren der 1. Generation sind bereits abgeschaltet) weisen einige bauartbedingte Sicherheitsmängel auf. Hierzu gehört neben der schwächeren Auslegung des Sicherheitsbehälters insbesondere die geringere Redundanz und teilweise Vermaschung bei der Notstromversorgung.

Auffällige Störfälle und sonstige Ereignisse

Überflutung einer Pumpenkammer

Im August 1997 kam es zu einer Überflutung in einer Pumpenkammer, wodurch zwei der vier Nebenkühlwasserpumpen ausfielen. Eine dritte Pumpe war gleichzeitig wegen Wartungsarbeiten nicht verfügbar, so dass für sicherheitstechnisch wichtige Kühlaufgaben nur noch eine einzige Pumpe zur Verfügung stand. Zudem waren bestimmte Sicherheitsfunktionen, die Block B für Block A übernimmt, für einen Zeitraum von mehreren Stunden nicht verfügbar.

Bei der Reparatur wurde in einer der Pumpen ein dort vergessener Schutzhelm gefunden, der die Pumpe beschädigt und damit die Überflutung verursacht hatte.

Bei diesem Störfall zeigten sich die Folgen der unzureichenden räumlichen Trennung der Sicherheitssysteme.
Ausfälle von Notstromsystemen

Wiederholt kam es in Biblis-B zu unvorhergesehenen Ausfällen im Notstromsystem. Der Ausfall der normalen Stromversorgung gilt laut der "Deutschen Risikostudie Kernkraftwerke" als eine der gefährlichsten Situationen. Wenn die Notstromsysteme in diesem Fall nicht funktionieren und es zum kompletten Stromausfall kommt, kann es innerhalb weniger Stunden zur Kernschmelze kommen, da die Notkühlpumpen nicht mehr arbeiten. Alle AKW verfügen deshalb über ein komplexes, mehrfach ausgelegtes Stromversorgungssystem mit mehreren Anbindungen an das Stromnetz und mehreren Notstromdieseln. In diesem System kam es jedoch in der Vergangenheit immer wieder zu Fehlfunktionen, zum Teil mit der Folge, dass im Notfall wichtige Systeme nicht funktioniert hätten.

Die Gefahr eines großflächigen Netzausfalls wurde bei der ursprünglichen Planung als gering angesehen. Wie die Ereignisse der vergangenen Jahre gezeigt haben, muss heute durch geringere Sicherheitsreserven in der Planung der Netze infolge der Liberalisierung, mögliche terroristische Angriffe sowie der Zunahme extremer Wetterereignisse von einem viel höheren Risiko ausgegangen werden.

Am 8. Februar 2004 kam es in Biblis-B nach einem Unwetter erstmals tatsächlich zu einem Notstromfall. Nachdem die gesamte Netzanbindung ausgefallen war, kam es zur Reaktorschnellabschaltung. Wegen eines Fehlers in der Turbinenregelung versagte auch die Eigenbedarfsversorgung durch den Hauptgenerator, so dass die Notstromdiesel einspringen mussten. Zwar sprangen alle vier Diesel fehlerfrei an und übernahmen die Versorgung der Sicherheitssysteme, zusätzlich fiel aber durch einen Schalterfehler die Notstandsstromversorgung von Block B zu Block A für zwei Stunden aus. In diesem Bereich war es 2000 und 2002 bereits wiederholt zu Störungen gekommen.

Dass hier gleich mehrere Sicherheitseinrichtungen gleichzeitig nicht funktionierten, ist offenbar kein Zufall und zeigt deutlich, dass sich trotz regelmäßiger Prüfungen der Sicherheitssysteme immer wieder unerkannte Fehler einschleichen können. Auch systematische Planungs- oder Verdrahtungsfehler, die offenbar über Jahre unerkannt geblieben waren, wurden schon entdeckt. Da ein Stromausfall durchaus auch beide Blöcke betreffen kann, ist es auch nicht so unwahrscheinlich wie von RWE unterstellt, dass die ausgefallene Notstandsstromversorgung in einem solchen Szenario tatsächlich benötigt wird.

Auch ein Ausfall der Notstromdiesel im Ernstfall erscheint nicht unwahrscheinlich, wie viele Pannen in diesem Bereich zeigen.

Die IPPNW - Deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges / Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. hat eine Klage auf Stilllegung des Atomkraftwerks Biblis B eingereicht.

News Author: 
Sebastian Ankenbrand