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Hochschulpakt 2011-2015-Bildungskürzungen blockieren

landesweite Demonstration gegen die geplanten Bildungskürzungen von 79 Millionen Euro in Hessen. 11. Mai 2010 15 Uhr in Wiesbaden -Abfahrt 13.30 HBF Darmstadt

79 Millionen Euro weniger für (Hoch-) Schulen in Hessen

Verpackt als „Solidarpakt in schwierigen Zeiten“ hat das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst (HMWK) am 26.03.2010 eine Pressemitteilung veröffentlicht, in der Mittelkürzungen im Hochschulbereich in Höhe von über 34 Millionen Euro für das Jahr 2011 bekannt gegeben werden. Diese Kürzungen sind eingebettet in die Verhandlungen um den sogn. „Hochschulpakt“ 2011-2015, und nach dem Willen der Landesregierung wird das Budget der Hochschulen für diesen Zeitraum auch nur dann steigen, wenn die Steuereinnahmen steigen.
Nur wenige Tage später gab auch das Kultusministerium Kürzungen in Höhe von 45 Millionen Euro für Schulen für das kommende Jahr bekannt.
Diese beiden Kürzungen werden die Situation an den chronisch unterfinanzierten (Hoch-)Schulen Hessens noch weiter verschärfen.

Was ist der Hochschulpakt?

Der Hochschulpakt ist eine Vereinbarung zwischen Bundesregierung und Bundesländern über die staatliche Finanzierung der Hochschulen. Darin ist geregelt, dass die Länder die Grundfinanzierung der Hochschulen zu sichern haben, damit sie zusätzliche Mittel von der Bundesregierung für ihre Hochschulen bekommen.
Die Länder bekommen Geld vom Bund, wenn sie an ihren Hochschulen mehr Studienplätze schaffen, die Hochschulen bekommen direkt Geld vom Bund, wenn sie viel forschen, viel Wissen in die Wirtschaft transferieren und dafür, dass sie Hochschulevaluation betreiben. Hochschulevaluation bedeutet, dass die Hochschulleitung die Lehrenden und Lernenden fragt, wie der Betrieb so läuft.
Das Geld bekommt man unabhängig davon, ob es gut oder schlecht läuft, oder anders gesagt: Es gibt kein Geld für gute Lehre, gute Studienbedingungen, gute Bibliotheken oder eine soziale oder elternfreundliche Hochschule.
Die erste Phase des Hochschulpakts umfasste die Jahre 2007 bis 2010, deshalb wird zur Zeit unter Hochdruck über seine zweite Phase (2011-15) verhandelt. Neben Land und Bund verhandeln hier auch die HochschulpräsidentInnen mit, und sie müssen diesen Pakt auch unterzeichnen. Was bedeutet, wenn sie nicht unterzeichnen: Kein Pakt, keine Kürzung!

Was bedeutet diese Kürzung für deinen Studienalltag?

80% der Ausgaben der Hochschulen sind Personalausgaben. Dies ist der Bereich, in dem es zuerst zum Abbau von „Kosten“ kommen wird. Dabei trifft es zu aller erst die befristet angestellten MitarbeiterInnen, also studentische Hilfskräfte und wissenschaftliche MitarbeiterInnen, sowie ProfessorInnen in der Probezeit, die dann entlassen bzw. deren Verträge nicht verlängert werden. Zudem wird es dann vielerorts zu einem grundsätzlichen Stopp an Neueinstellungen kommen.
Folglich erwarten dich u.a. überfüllte Lehrveranstaltungen und Tutorien sowie mehr Seminarrauswürfe. Einen Prüfungstermin zu bekommen wird damit noch schwerer. In Einrichtungen wie Bibliotheken, Prüfungsbüros, Rechenzentren, Laboren usw. werden sich die Zustände verschlimmern und evtl. Gebühren erhoben oder erhöht.
Im äußersten Fall können solche Einsparungen dazu führen, dass ganze Institute bzw. Fachbereiche nicht mehr finanziert und schließlich dicht gemacht werden. Seit dem Jahr 2000 ist das allein in Hessen gut ein dutzend Mal vorgekommen.
Parallel dazu wird bei den Sachkosten gespart werden, zu diesen zählen u.a. jegliche Neuanschaffungen. Das bedeutet weiterhin zu wenig Bücher, veraltete Computer, mangelhafte Laboreinrichtungen und Ausstattung von Seminarräumen usw.
Wer nach den Protesten im vergangenen Winter auf Verbesserungen seiner Studiensituation gehofft hat, wird bitter enttäuscht. Es werden trotz steigender Studierendenzahlen keine neuen Stellen geschaffen, keine neuen Materialien gekauft und die versprochenen, aber kostenpflichtigen Re-Akkreditierungen der Studiengänge werden wohl nach hinten verschoben.

Was bedeutet das für die (Hoch)Schulen?

Da die Hochschule auf der einen Seite sparen, auf der anderen Seite sich auf die wachsenden Studierendenzahlen einstellen muss (z.B. doppelte Abiturjahrgänge 2011 in Bayern und NRW), steht sie vermehrt unter Druck sogenannte Drittmittel einzuwerben. Das sind Gelder, die ProfessorInnen entweder von privaten Firmen und Stiftungen einwerben müssen, um damit zu forschen, oder die sie von eben jenen angeboten bekommen, um in deren Auftrag und Interesse Forschung zu betreiben. Konsequenterweise öffnet sich die Bildungseinrichtung somit unfreiwillig immer stärker dem Einfluss privatwirtschaftlicher Interessen. Nicht selten führt dies auch zu Umstrukturierungen an den Hochschulen, damit diese an Attraktivität in dem Wettbewerb um Drittmittel gewinnen. Die Generierung von Wissen wird somit immer abhängiger von externen Aufträgen (Geldgebern). Dieser Trend spiegelt sich auch in Form von vermehrten Stiftungsprofessuren wider.
Öffentliche Bildung verliert damit noch weiter ihren bereits heute häufig schon mangelhaften kritischen Charakter. Im Hessischen Hochschulgesetz (HHG) gibt es sogar einen Paragraphen (§8, Abs.1), welcher die Hochschulen dazu verpflichtet Drittmittel einzuwerben!
Eine andere Möglichkeit für (Hoch-) Schulen Geld einzusparen ist das Outsourcing. Das heißt Dienstleistungen wie z. B. Reinigungsarbeiten oder Schulspeisung werden an private Anbieter übergeben. Und da Unternehmen meist profitorientiert agieren, steigen häufig langfristig die Kosten für die Institutionen und die Beschäftigungsverhältnisse verschlechtern sich.

Ähnliches kann auch im Lehrbetrieb beobachtet werden, Stichwort prekäre Arbeit. Sei es bei den Wissenschaftlichen MitarbeiterInnen oder ReferendarInnen, den studentischen Hilfskräften oder Unterrichtsgarantie+ Kräften, den Aushilfen oder PrivatdozentInnen: Kurze Vertragslaufzeiten, niedrige Löhne, unbezahlte (Zwangs-)Überstunden, keine Tarifabsicherung. Und mit der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses an der Hochschule in Form von HiWi-Stellen für DoktorandInnen oder Forschungsförderung wird in Zukunft kaum noch zu rechnen sein, zumindest nicht durch öffentliche Gelder.
Zudem sieht der neue Hochschulpakt vor, dass alle Tariferhöhungen in Zukunft fast ausschließlich von der Hochschule selbst getragen werden müssen, was auch ohne Kürzungen nicht möglich wäre.

Alle in der Politik sprechen von „Investitionen in Bildung“ und „Bildung als Motor der Gesellschaft“ -
Hat Hessen nicht zugehört oder hat der Kürzungswahn Methode?

In der Lissabon Erklärung aus dem Jahr 2000 findet sich folgender Satz:
„Die [Europäische] Union hat sich heute ein neues strategisches Ziel für das kommende Jahrzehnt gesetzt: das Ziel, die Union zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen- einem Wirtschaftsraum, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt zu erzielen.“
In der hessischen Bildungspolitik hat dieser Satz in zwei Arten von Reformen Niederschlag gefunden. Zum Ersten in der Bildungszeitverkürzung (G8 und Bachelor als Regelabschluss) und zum Zweiten in der Elendsselbstverwaltung der Bildungseinrichtungen („Eigenverantwortliche Schule“ und „Autonomie der Hochschulen“).
Die Idee hinter der ersten Reform ist relativ simpel: Wer kürzer lernt, ist geringer qualifiziert, und bekommt deshalb weniger Lohn, und das freut die Wirtschaft. Und wer kürzer lernt bzw. lernen darf, muss früher arbeiten, und bezahlt deshalb früher Steuern und kostet weniger im Bildungssystem, das freut den Staat.
Die Idee hinter der zweiten Reform ist folgende: Man gibt den Bildungseinrichtungen die „Freiheit“, Dienstleistungen outzusourcen oder auch bei der Privatwirtschaft einzukaufen, Räume und Werbeflächen an sie zu vermieten und Forschungsergebnisse an sie zu verkaufen, Gelder bei Unternehmen für Forschungs- und Bildungsprojekt einzuwerben oder PPP´s ( Public-Private-Partnerships) mit ihnen einzugehen, usw.. Da das auf den zweiten Blick schon keinen Sinn mehr macht, haben das kaum (Hoch-)Schulen getan. Jetzt dreht die Landesregierung den Geldhahn wieder ein Stück weiter zu und zwingt nun so die Bildungseinrichtung in die privatwirtschaftliche Abhängigkeit. Die Unternehmen bekommen Absatzmärkte, günstige Forschungseinrichtungen zur Teilzeitnutzung und klasse Werbeflächen, der Staat spart Geld und bekommt evtl. sogar noch Steuern. Und Hessen ist da kein Einzelfall, in Bayern, NRW, BaWü und anderen Bundesländern gibt es ähnliche oder sogar die gleichen Entwicklungen. Und diese gibt es nicht nur in der BRD oder Europa, sondern weltweit. Und deshalb gab es auch auf globaler Ebene teils massive Proteste gegen derlei „Reformen“. Allein im letzten Jahr protestierten in mindestens 54 Ländern auf 5 Kontinenten SchülerInnen, Studierende, Lehrende, Eltern und Angestellte gegen sehr ähnliche Probleme.

Was wären Alternativen zu den geplanten Kürzungen?
Wer die Bildungsfinanzierung in Hessen verbessern möchte, kann entweder im Landeshaushalt auf der Ausgabenseite umverteilen oder über andere Quellen auf der Einnahmeseite reden. Da es unsolidarisch wäre, anderen Landesmittel streitig machen zu wollen, könnte man hier zwei Möglichkeiten auf der Einnahmeseite eröffnen.
Möglichkeit 1: Die Bundesregierung (derzeit CDU/FDP) möchte im kommenden Jahr 16Milliarden Euro weniger Steuern einnehmen, durch eine Steuerreform. Anscheinend braucht sie das Geld nicht. Das sind geteilt durch 80 Mio. BundesbürgerInnen 200€ pro Kopf, bei 6,063 Mio. HessInnen stünden dem Land Hessen (derzeit auch CDU/FDP geführt) also 1212 Mio. € zu. Damit ließen sich die Bildungsetats locker um 10% aufstocken, die Kommunen stärken und noch viel anderes Gutes tun.
Möglichkeit 2: Drei kluge Menschen vom „Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung“ haben 2007 ausgerechnet, dass eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer, die 2001 abgeschafft wurde, dem Land jährlich 1200 Mio. € einbringen würde (vergl. IMK Studies 7/2007). Warum gerade Vermögenssteuer? Wer Vermögen hat, hat meist auch gute, öffentliche Bildung genossen. Das ganze wäre also nur solidarisch.
Um Bildung an öffentlichen Schulen und Hochschulen zu verbessern, braucht es nun mal öffentliche Mittel und keine Kürzungen oder Privatisierungen! Deshalb:

Bildungskürzungen blockieren!
10%+ für Bildung in Schule und Hochschule!

Für weitere Infos:

regional: http://hessen.uebergebuehr.de - bundesweit: http://bildungsstreik.net - global: http://emancipating-education-for-all.org

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