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Krise, Flucht und autoritärer Staat – zu den jüngsten Umwälzungen in Europa

Die vermeintliche Ruhe, die dem Zusammenbruch des realsozialistischen Imperiums und der damit einhergehenden Neuordnung des europäischen Ostens gefolgt war, wirdseit einigen Jahren zusehends in Frage gestellt. Während es eben noch so schien, als wären Krieg, Diktatur und Katastrophe nun für alle Zeiten gebannt, zumindest aus dem eigenen Umfeld, so überschlagen sich heute die Ereignisse. Volkswirtschaftenkollabieren im europäischen Süden und werden unter rigorose Spardiktate gezwungen, noch etwas weiter entfernt drängen Bürgerkriege neue Menschenmassen auf das europäische Festland und nahezu überall durchläuft ein unübersehbarer Rechtsruck die politische Landschaft – von dem, was mal Graswurzel-Bewegunggenannt wurde, bis hin zu tatsächlichen Regierungen.

Hierbei ist schon allein schon der Verweis auf die stetig wiederkehrende Vokabel der Krise (Finanz-Krise, Euro-Krise oder Flüchtling-Krise, Ukraine-Krise) ein Beleg für den wechselseitigen Zusammenhang der thematisierten Ereignisse, und die Unzulänglichkeiten solcher Thematisierungen wiederum selbst ein Indiz dafür, dass eine isolierte oder isolierende Betrachtung nicht hinlänglich ist, um eine kritischeHaltung einzunehmen. Das bedeutet nun, dass weder von einer rein ökonomischen, noch einer politischen Krise die Rede sein kann; Weder eine alleinige Betrachtung des Umgangs, etwa mit den Flüchtlingen („Danke Merkel“), dem Brexit oder gar des Standes der sogenannten europäischen Wertegemeinschaft, hilft sonderlich, die Lage zu Überblicken. Genauso wenig wie sich all dies nun ausschließlich in die Schablone einer an Marx geschulten Kritik der politischen Ökonomie pressen ließe, als je ökonomische Krisenerscheinungen mit entsprechenden Klassen- und Verwertungsinteressen.

Dieses Zusammenhangs zwischen den versucht sich nun die Ringvorlesung des Wintersemesters 2016/17 an zunehmen, denn die Beleuchtung der einzelnen Momente kann nicht separat geschehen Hier kommt ein grundlegendes Moment von Gesellschaftskritik zum Ausdruck; das Gesellschafts verhältnis soll in der Betonung der Ebene der Vermittlung thematisiert werden und so neben einer (klassisch) materialistischen Perspektive auf Gesellschaft auch die hierdurchbedingten ideellen Momente anhand des Nationen- und Gemeinschaftsbegriffes betrachtet werden. Denn einerseits stehenStaaten, wie auch die Einzelnen in einem dauerhaftenKonkurrenzverhältnis und reproduzieren dieses, um bestehen zu können. Andererseits ist der Reproduktion dieses Verhältnisses ein ideell-imaginärer und kollektivierend-identifizierender Zusammenschluss innewohnend, der sich auch in den auf tretenden regressiven und (staats-)autoritären Tendenzen ausdrückt.

 

Eingangs wird Rainer Trampert (2.11.2016) auf eben diese Situation und auf ihre wechselseitigen Momente eingehen.

Darauffolgend wird Tomasz Konicz (9.11.2016) auf die wirtschaftlichenDimensionen zu sprechen kommen, um die Entwicklungen in Europamaterialistisch auslegen zu können.

Dass die derzeitige Migrationsbewegung mit diesen ökonomischen Grundlagen und Interessen zu tun hat und ihr nicht allein mit sozialtechnologischer oder ökonomischer Rhetorik begegnet werdenkann, sondern dass auf die Bedürfnisse der MigrantInnen politischgeantwortet werden muss, darauf kommt Leo Elser (16.11.2016) zu sprechen. 

Der moderne Nationenbegriff baut wesentlich auf dem Vergesellschaftungsmodell des Kapitalismus auf und legitimiert sich durch Wahrung und Aufrechterhaltung dieser Vergesellschaftung. Daniel Keil (23.11.2016) wird auf dieses Modell eingehen und versuchen eine Kritik daran zu formulieren, indem er einenzentralen Widerspruch in einer regulatorischen Wettbewerbs konstitution und der fehlenden Vermittlung ihrerWidersprüche in den Klassenfraktionen sieht, so dass der Ausweg in autoritäre Formen jene Widersprüche nur noch mehr verstärkt. Dies drückt sich in einer Zuwendung und Akzeptanz der Logik identitärer Modelle und damit in einer regressiven Kollektivität aus.

Daran anschließend kann Ivo Eichhorn (30.11.2016) auf die alltäglichen Momente dieser identitären Logik verweisen, die sich oftmals als schlecht getarnter Rassismus oder Nationalismus ausdrücken. Inwiefern diese Momente banalisiert wurden, steht hier zur Debatte.

Um diese Momente der Alltagsreligion (Detlev Claussen) näher zu beleuchten hilft die Theorie des autoritären Charakters, wie sie das Institut für Sozialforschung in ihrer Studie über die Authoritarian Personality entwickelt hat. Hierzu wird Jan Weyand (7.12.2016) über deren Aktualität berichten. Empirisch konkretisieren wird dies Melanie Götz (21.12.2016) mit ihrer Perspektive auf die Burka-Diskussion.

 

Ringvorlesung Winter 16/17