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Kasperletheater im Landeshaus Wiesbaden

Studiengebühren wanken und Corts steht unter Druck

Gestern fand in Wiesbaden die mündliche Anhörung zur Verhandlung über die Klage gegen das Studiengebührengesetz statt. Nach dem Verlesen der Anklageschriften schloss sich das Verlesen der Verteidigungsschrift der Landesregierung an und schnell wurde deutlich, dass keiner im Saal die Argumentation der Noch-Landesregierung nachvollziehen konnte, weder die meisten Richter noch die anwesenden Studierenden und Journalisten.

Noch-Wissenschaftsminister Udo Corts gab sich mal wieder optimistisch, dass sein Studiengebührengesetz nicht gegen die Hessische Verfassung verstoße, denn immerhin sei Artikel 59 der Verfassung in einem historischen Kontext zu betrachten und die damaligen Verfassungsväter hätten sich einfach nicht entscheiden können, ob ein Studium kostenlos sein sollte oder nicht. Zwar steht in Artikel 59, Satz 1 der Hessischen Verfassung, dass „In allen öffentlichen Grund-, Mittel-, höheren und Hochschulen … der Unterricht unentgeltlich [sei]“, aber es kommt laut Corts doch auf Satz 4 des Artikels an, der vorsähe, dass „ ein angemessenes Schulgeld zu zahlen ist, wenn die wirtschaftliche Lage des Schülers, seiner Eltern oder der sonst Unterhaltspflichtigen es gestattet.“
Die Landesregierung hätte diese offen gebliebene Entscheidung lediglich endgültig treffen wollen, indem sie sich für Studiengebühren und gegen Satz 1 des Artikel 59 entschied.
Dieser Standpunkt sorgte im Saal für großes Gemurmel und von Seiten der Studierenden zu unterdrücktem Gelächter. Ein Richter stellte Corts die Frage, was von Satz 1 des Artikels noch übrig bleibt, wenn flächendeckend Studiengebühren eingeführt werden und es keine Ausnahmeregelung für wirtschaftlich schwächer gestellte Studierende gäbe.
Auch darauf fand Staatsminister Corts eine tolle Antwort. Durch die Fähigkeit einen Kredit aufzunehmen und sich somit zu verschulden, würden wirtschaftlich nicht-leistungsfähige Studierende zu leistungsfähigen werden und somit wäre ein „allgemeines Schuldgeld“ im Sinne von Studiengebühren gerechtfertigt.
… Ja, Herr Corts, wenn man sich verschulden kann ist mal also wirtschaftlich leistungsfähig.. alles Klar.

Landesanwältin Ute Sacksofsky, die sich der Klage angeschlossen hatte, jedoch Studiengebühren grundsätzlich für möglich hält, schloss sich der mehrheitlichen Auffassung im Saal an, dass Artikel 59 so auszulegen sei, dass, die Studierenden, die sich ein Studium nicht leisten können weiterhin die Möglichkeit haben müssen unentgeltlich zu studieren, das würde die Hessische Verfassung so vorschreiben. Die Einführung von Studiengebühren ist nur möglich, so Sacksofsky, wenn die Verfassung geändert wird, oder das Gesetz für die wirtschaftlich schwachen Studierenden Ausnahmen vorsieht, z.B. die generelle Befreiung von Gebühren für Bafög-Empfänger.

Corts zog schließlich noch ein paar andere Argumente aus seinem Studiengebühren-Zauberhut. So wären die Gebühren der einzige Weg um wettbewerbsfähig zu bleiben im Vergleich mit den anderen Bundesländern. Und schließlich würden die anderen Bundesländer alle schon Gebühren haben und Hessen somit dazu zwingen, ebenfalls welche einzuführen… !? Ja, Herr Corts. Da ist im Endeffekt natürlich auch die Hessische Verfassung egal. Wenn die anderen das haben, wollen/brauchen wir das auch! Ist klar! Dass es noch gebührenfreie Länder gibt, hat er da wohl übersehen.

Zwar wird das Urteil der Verhandlung erst im Frühsommer erwartet, aber die gestrige Anhörung gibt Hoffnung, dass die hessischen Studiengebühren nicht nur wanken, sondern bald Geschichte sind.

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Und für alle hier noch mal zum Nachlesen der Artikel 59 der Hessischen Verfassung. Anmerkung des hessischen Staatsministers Corts: Satz 1 wurde von den Verfassungsväter gar nicht so gemeint. Es zählt nur Satz 4 und die anderen drum herum bitte einfach überlesen!
&nbsp;<br /> <strong> Art. 59 [Unterrichtsgeld- und Lernmittelfreiheit; Zugang zu Schulen und Hochschulen]</strong>
&nbsp;<br /> (1) In allen öffentlichen Grund-, Mittel-, höheren und Hochschulen ist der Unterricht unentgeltlich. Unentgeltlich sind auch die Lernmittel mit Ausnahme der an den Hochschulen gebrauchten. Das Gesetz muß vorsehen, daß für begabte Kinder sozial Schwächergestellter Erziehungsbeihilfen zu leisten sind. Es kann anordnen, daß ein angemessenes Schulgeld zu zahlen ist, wenn die wirtschaftliche Lage des Schülers, seiner Eltern oder der sonst Unterhaltspflichtigen es gestattet.<br /> (2) Der Zugang zu den Mittel-, höheren und Hochschulen ist nur von der Eignung des Schülers abhängig zu machen.

News Author: 
Alexandra Poth