"Is there Anybody Out There?" – Zur ethischen und sozialen Funktion von Religion im postsäkularen Zeitalter
"Is there Anybody Out There?" – Zur ethischen und
sozialen Funktion von Religion im postsäkularen Zeitalter
Vortrag & Diskussion mit Dr. Geert Hendrich (Institut für Philosophie an der TU Darmstadt)
Siebter und letzter Teil der Ringvorlesung "Religionskritik" im Sommersemester 2013
Eigentlich sollte Religion kein Problem mehr sein: der säkulare Rechtsstaat garantiert die Glaubensfreiheit seiner Bürger, und zugleich finden alle normativen Ansprüche der Religion ihre Grenze im Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen und in der Bekenntnisneutralität des Staates. Aber ganz so einfach ist es nicht, wie die Rede von der „Rückkehr der Religion“ zeigt. Weltweit setzt nicht nur eine Rückkehr zu den Bekenntnisreligionen ein, sondern auch innerhalb der modernen Gesellschaften scheinen immer mehr Menschen Halt, Orientierung und Identität mit religiösen Vorstellungen zu verbinden. Dabei fällt allerdings auf, dass „Religion haben“ etwas anderes ist als „religiös sein“. Ihren individuellen Bedürfnissen folgend, bedienen sich die Menschen am Buffet religiöser Inhalte: eine große Portion Wellness, ein Klacks Esoterik und noch eine Prise Gemeinschaftserlebnis im Fußballstadion – oder auf dem letzten Kirchentag... Religiosität scheint zu einer Ware geworden zu sein, die weniger eine umfassende Weltinterpretation und damit auch eine eindeutige Positionierung des Gläubigen zur Welt bedeutet, sondern die Defizite einer als sinnentleert, unübersichtlich und unbeeinflussbar gewordenen modernen Lebenswelt ausgleichen soll. Selbst die machtvolle „Rückkehr der Religionen“ in Gestalt des (christlichen oder islamischen) Fundamentalismus erweist sich bei genauer Analyse als ein Krisensymptom unserer Moderne. Haben jene recht, die darin Anzeichen für das Scheitern der Säkularisierung sehen, ja für das Scheitern der am autonomen Subjekt orientierten Moderne überhaupt? Und selbst bei säkularen Denkern mehren sich die Stimmen, die einer Rückkehr der normativen Ansprüche der Religionen in den pluralistischen Gesellschaften das Wort reden.
Der Vortrag möchte sich kritisch mit der angeblichen „Rückkehr der Religion“ und mit der im Gefolge auftretenden Fundamentalkritik an der Moderne auseinandersetzen.