Karina Korecky: Der poststrukturalistische Feminismus und die uneigentliche Erfahrung
Judith Butlers „Gender Trouble“ (dt.: Das Unbehagen der Geschlechter) ist das am häufigsten rezipierte feministische Werk der Gegenwart. Der Vortrag wirft einen kritischen Blick auf Butlers poststrukturalistischen Feminismus. Obwohl Butler seit geraumer Zeit hauptsächlich als Antizionistin wahrgenommen wird (wozu sie selbst nicht wenig beiträgt), wird es im Vortrag weniger um ihre weltpolitischen und moralisch-ethischen Statements gehen, als um ihre theoretischen Grundannahmen sowie die gesellschaftlich-historischen Bedingungen ihrer Bedeutung für die feministische Kritik: Was macht den poststrukturalistischen Feminismus fast konkurrenzlos erfolgreich? Dabei werden nicht bloß Irrtümer, logische Fehlschlüssen und richtige oder falsche theoretische Bezüge identifiziert, sondern es wird nach dem „Erfahrungsgehalt dieses Denkens“ (P. Bürger) gefragt, oder anders: danach, welchem gesellschaftlichen Bedürfnis es entspricht. Es wird herausgearbeitet, dass die Attraktivität des poststrukturalistischen Denkens für den Feminismus in dessen Infragestellung von Wahrheit, Subjekt, Tradition, Geschichte und Einheit liegt. In diesem Impuls trifft sich der Poststrukturalismus mit einem zentralen Moment feministischer Gesellschaftskritik – der Kritik daran, dass die patriarchale Souveränität des strahlenden Subjekts voraussetzungsreich auf Kosten der Frauen konstituiert ist. Wie gezeigt werden soll, ist dem Poststrukturalismus aus feministischer Perspektive daher nicht sein Verzicht auf die Konstatierung von Wahrheit, sondern von gesellschaftlicher Unwahrheit vorzuwerfen.
Karina Korecky promoviert an der Universität Hamburg zum Verhältnis von Staat und Natur. Sie publiziert außerdem zu feministischer Kritik und veröffentlicht in 2014 "Rousseau, die Liebe und der Staat" im Schweizer Verlag Die Brotsuppe.