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Offener Brief an den AStA der Hochschule Darmstadt bezüglich des Line-Ups auf dessen Semesterparty

Heute steigt in der goldenen Krone die Semesterparty des AStAs der Hochschule Darmstadt. Prinzipiell wäre dies für uns ein Grund, an dieser Stelle Veranstalter_innen und Besucher_innen gleichermaßen einen schönen Abend zu wünschen. Leider sehen wir uns stattdessen zu einer kritischen Stellungnahme genötigt, erinnert uns die Rhetorik der eingeladenen „Polit-Rapper“ streckenweise doch zu sehr an jene, derer sich auch Neonazis bedienen, wenn sie ihren braunen Pseudo-Antikapitalismus propagieren.

Vorweg sei gesagt, dass wir die Arbeit der Referent_innen des h_da-AStA bisher sehr schätzten und es in der Vergangenheit zu zahlreichen produktiven Kooperationen zwischen den Asten der TU und der h_da kam: Bspw. im Rahmen des Bildungsstreiks, bei der Organisation von Bussen zu Demonstrationen oder der gemeinsamen Durchführung von Ringvorlesungen und Veranstaltungsreihen.

Angesichts der positiven Erfahrungen erstaunt es uns umso mehr, dass der AStA der h_da, für den heutigen Dienstag gleich vier Künstler eingeladen hat, deren politische Positionen, vorsichtig formuliert, mehr als fragwürdig sind. Am heutigen Abend soll in der goldenen Krone Holger Burner, Albino, Callya und Master Al eine Bühne gegeben werden, die sich allesamt als „politische Rapper“ gerieren. Was auf den ersten Blick nach einer reinen Geschmacksfrage klingen mag, entpuppt sich bei näherem Hinsehen jedoch als eine Veranstaltung, die dem Propagieren von Verschwörungstheorien, Pseudo-Antikapitalismus und antisemitischen Ressentiments dient.

So rappt der bekennende Trotzkist und Mitglied der Sozialistischen Alternative e.V. Holger Burner in seinem Song „Ketten zerreißen“ etwa: „Ich will Uzis verteilen Hamburg bis München, mit dem Aufruf die Chefs aller Banken zu lynchen!“. Was es an einem strukturellen Ausbeutungsverhältnis, wie es der Kapitalismus darstellt, ändern soll, die vermeintlich übermächtigen Profiteur_innen „zu lynchen“, bleibt ebenso unklar, wie die bescheuerten Vergleiche, die der selbsternannte „Klassenkampfrapper“ in seinen restlichen Texten vornimmt. Da werden der Vernichtungskrieg der Nazis mal eben mit Militäreinsätzen der NATO (Song: „Antifahistory“) und Ein-Euro-Jobber implizit mit Zwangsarbeiter_innen in deutschen Konzentrationslagern gleichgesetzt. Ähnlich „schlicht“ geht es auch in den Texten Master Als zur Sache, z.B. in „Fest der Tiere“: „Es war einmal eine Heuschrecke, die die Gattung und das Aussehen ihrer Tierart leugnete, [sie]... bricht aus aus der Nahrungskette, … stürzt die Menschheit hundertpro in die Hungersnot“ heißt es hier etwa, oder: „Und so trafen sich die Heuschrecken und feierten ein Fest, und sie stießen an und grölten 'Heute knechten wir die Welt!'“. Derlei Zeilen sind nicht nur deshalb anschlussfähig an extrem rechte Positionen, weil Tiervergleiche charakteristisch für die Rhetorik der Nazis waren – auch die hier enthaltene Vorstellung von Gesellschaft ist es. Den zitierten Passagen zufolge, sind gesellschaftliche Missstände im Kapitalismus vor allem das Ergebnis „nicht artgemäßen“, „unnatürlichen“ Verhaltens einer kleinen Elite, die sich bewusst dazu entschieden hat „die Welt zu knechten“. Die Konstruktion derlei Feindbilder geschieht auf Kosten einer Analyse gesellschaftlicher Missstände, die deren Ursprung in Dynamiken identifiziert, die der kapitalistischen Konkurrenzlogik immanent sind. Stattdessen wird die Welt in den Kategorien „oben und unten“, „gut und böse“ oder, um beim NS-Jargon zu bleiben, „schaffend und raffend“ strukturiert. Ähnlich ressentimentgeladen rappt auch Callya in „Money over People“ und stellt fest: „...die Gierigsten breiten sich aus!“. Ob er dies, im Sinne der Verbalmilitanz seines Genossen Holger Burners, ebenfalls mittels Lynchjustiz beenden möchte, bleibt unklar, ist aber zu befürchten. Während sich durch die Texte aller vier Rapper ein struktureller Antisemitismus zieht, der sich zwar nicht konkret gegen Juden richtet, jedoch auf ähnliche Begrifflichkeiten und Argumentationsmuster wie der „klassische“ Antisemitismus zurückgreift, hat Holger Burner zudem kein Problem damit, Israel dass Existenzrecht abzusprechen. „Ich bin gegen jeden Nationalismus und vor allem gegen den Zionismus“ verkündete er etwa 2007 auf dem G8-Camp der Berliner Falken, die sich daraufhin von den Aussagen ihres Gasts distanzierten. Albino hat mit derlei Aussagen vermutlich ebenfalls kein Problem, identifiziert er als seine politischen Gegner vor allem israelsolidarische Linke, denen er in seinem Song „Ein falsches Spiel“ vorwirft „Apartheid-Partys“ zu feiern, und „neokonservativer Kriegstreiberei“ Vorschub zu leisten.

Für uns steht fest, dass derlei politische Positionen zum „Nationalen Antikriegstag“ sogenannter „Autonomer Nationalisten“ passen mögen, sich unsere Kooperationspartner_innen diese allerdings nicht zu eigen machen sollten. An den AStA der Hochschule Darmstadt richten wir daher folgende Fragen:

Steht ihr als AStA geschlossen hinter dem Konzert mit Holger Burner, Master Al, Callya und Albino?

Teilt ihr deren politische Positionen im Allgemeinen?

Wie steht ihr zum Infragestellen des Existenzrechts Israels im Speziellen?