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Vortrag mit Jörg Finkenberger: Grundlagen einer kritischen Theorie des Staates

Mittwoch, 16. Dezember 2015 - 18:30
Ort: 
TU Darmstadt S103/23 (altes Hauptgebäude)

Grundlagen einer kritischen Theorie des Staates

Eine materialistische Kritik der Gesellschaft bleibt unvollständig, und damit falsch, wenn sie nicht einen kritischen Begriff des Staates enthält. Dieser Mangel ist nachdem 20. Jahrhundert, in dem der Marxismus zur Staatsideologie eines gigantischen Despotismus geworden war, nicht mehr zu verdecken. Ein einfacher Rückgriff auf anarchistische Staatsgegnerschaft, eine blosse Addition des bakunistischen zum marxischen Materialismus-Versuch reicht nicht aus, diesen Mangel zu beheben,denn auch in dieser Schule ist eine materialistische Staatskritik im Zusammenhang eines Gesellschaftsbegriffes nicht unternommen worden.

Denn weder lässt sich der Staat etwa aus dem Kapital ableiten, noch das Kapital aus dem Staat. Solche Versuche blamieren sich an der Eigengesetzlichkeit, mit der die Form Staat zur Havarie beigetragen hat, die wir die Geschichte nennen. Dass der Staat sowohl der Gesellschaft äußerlich gegenüber zu stehen scheint, und sie dennoch, unter dem Titel der Nation, verkörpern soll, ist ein realer Widerspruch: logisch unmöglich, dennoch Wirklichkeit.

In einem ähnlichen Verhältnis steht der Staat zum Recht, das er einerseits hervorbringen , an das er aber andererseits doch gebunden sein soll. Das Verhältnis kann auf eine philosophische Ebene gehoben und abstrakt betrachtet werden: Im Verhältnis zum Recht, zur Gesellschaft, zur Nation erscheint der Staat jedes Mal als das Subjekt, diese als Substanz, und zwar so, dass die Substanz als ihr eigenes Subjekt betrachtet werden muss, wie es Hegel bezeichnet hätte. Kann aber die Substanz an sich selbst Subjekt werden? Geht die Rechnung ohne Rest auf?

Die bürgerliche Aufklärung war davon ausgegangen, in den Formen Staat und Recht eine transparente Synthesis der Gesellschaft, eine vernünftige Vermittlung des Ganzen mit dem Einzelnen bereits in Händen zu halten. Es lässt sich zeigen, dass dieser Glaube scheiterte im Moment, als er in Vollzug gesetzt wurde; die theoretische Reflexion dieses Scheiterns, der Zerfall der Hegel-Schule, schließlich führt zur Notwendigkeit hin,die Gesellschaft materialistisch, und das heißt negativ-dialektisch zu betrachten.

An der Staats- und Rechtslehre Carl Schmitts kann diese Operation vorgenommen werden, indem dieser „objektiver Denker des Staats“ (Jochen Bruhn) ist. Was vom Mythos der „Klarheit“ und „Tiefe“ Schmitts übrigbleibt, ist danach erst zu beurteilen.