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Boris Rhein: Rassistischer Tiefschlag zum Einstieg

Mit großer Verwunderung wurde die Ernennung Boris Rheins zum neuen Wissenschaftsminister von vielen hessischen ASten aufgenommen. Der AStA der TU Darmstadt ist hier keine Ausnahme. Zu eindrücklich und frisch sind die Erinnerungen an seine Law & Order Politik im Umgang mit Demonstrationen. Hochschulpolitisch war er den Studierendenvertretungen bisher nicht aufgefallen.

Bei seinem Antrittsbesuch an der Goethe-Universität in Frankfurt ereignete sich eine indiskutable rassistische Entgleisung gegenüber dem AStA-Vorsitzenden Giorgio Nasseh. Ihm gilt unsere Solidarität. Zur Erläuterung veröffentlichen wir hier Giorgios persönliche Erklärung.

 

Persönliche Erklärung des AStA-Vorsitzenden Giorgio Nasseh zum Zusammentreffen mit Boris Rhein am 23.01.2014.

Zur Demonstration:

Mittwochmorgens erfuhren wir als AStA, dass der neue Wissenschaftsminister Boris Rhein seinen ersten offiziellen Auftritt bei der Veranstaltung zur Vergabe der Deutschlandstipendien an der Goethe-Universität Frankfurt am Main haben würde. Wohnungsnot, steigende Semesterbeiträge, überfüllte Hörsäle und schlechte Studienbedingungen waren für uns Anlass genug, für den Abend der Veranstaltung zu einer Demonstration auf dem IG-Farben-Campus gegen die Unterfinanzierung des Bildungssystems und die Verwaltungsgebühr aufzurufen. Ziel war es, dem neuen Wissenschaftsminister deutlich zu machen, wo aus unserer Sicht die Probleme in der Hochschulpolitik liegen. Titel der Demonstration war “Harvard am Main mit Boris Rhein - Gegen Elitenförderung und Sparprogramme”.

Aufgrund des regen Presseechos reagierten Uni-Leitung, Polizei und Ministerium umgehend, es folgte ein persönlicher Anruf des Ministers und das Angebot eines Gesprächstermins zwischen den hessischen Studierendenvertretungen und Boris Rhein.

Unsere Demonstration verlief friedlich, allerdings stand die Zahl der Polizist_innen meiner Ansicht nach in keinem Verhältnis zur kleinen Anzahl der Demo-Teilnehmer_innen. Hinzu kam meine Sorge, die Stipendiat_innen bei der Veranstaltung könnten deshalb den Eindruck gewinnen, wir würden gegen sie demonstrieren und man müsste sie vor uns schützen, obwohl das natürlich keinesfalls unser Ziel war. Also beschloss ich nach der Demonstration selbst zur Veranstaltung zu gehen, um mir ein Bild der Stimmungslage zu machen. Boris Rhein hielt gerade seine Festrede und plötzlich registrierte ich, dass ca. 50 Stipendiat_innen von ihren Plätzen aufgestanden waren und ihm den Rücken zugewandt hatten. Schnell wurde mir klar, dass es sich um eine stille, aber umso deutlichere Protestaktion handelte. Das war sehr beeindruckend.

Der Initiator der Aktion hatte die Kritik auf einem Flugzettel zusammengefasst: Rhein sei zwar neu im Amt, aber kein unbeschriebenes Blatt, mit ihm verbinde man zahlreiche Skandale und die Missachtung von Presse-und Demonstrationsfreiheit. Rhein müsse seinen politischen Stil radikal ändern, um im Ministerium für Wissenschaft und Kultur anzukommen.

Zum Zusammentreffen mit Boris Rhein:

Nach dem Festakt kam ich ins Gespräch mit den an der Protestaktion beteiligten Studierenden, aber auch mit Teilen des Uni-Präsidiums. Während einem dieser Gespräche kamen der Uni-Präsident und der Wissenschaftsminister vorbei und als der Präsident auf mich verwies, wollte Boris Rhein mir die Hand reichen. In diesem Moment wurde mir bewusst, dass ich mich absolut unglaubwürdig machen würde, wenn ich nach unserer Demonstration und dem Protest der Stipendiat_innen, die 40 Minuten lang unter den Blicken der anderen Studierenden, der Universitätsleitung und den Förderern ausgeharrt hatten, um Boris Rhein eine politische Botschaft mitzugeben, nun heiter “Shakehands” mit demselben machen würde. Zudem filmte der HR in diesem Moment die Situation, weshalb es mir umso wichtiger war, dass die politischen Aktionen nicht durch ein munteres Händeschütteln mit dem Minister zur Farce werden würden. Also verweigerte ich mich demonstrativ dem Handschlag und solidarisierte mich mit den 50 Stipendiat_innen, die protestiert hatten.

Man mag das als unverschämt werten, aber es ist in der hessischen Politik nichts Neues: Tarek Al-Wazir hat 2008 dem damaligen Ministerpräsidenten Roland Koch den Handschlag verweigert, da sich dieser im Wahlkampf ausländerfeindlicher Ressentiments bediente. Der CDU-Wahlspruch „Ypsilanti, Al-Wazir und die Kommunisten verhindern” bleibt unvergessen.  

Dem Minister gefiel meine kleine Geste des Protestes nicht. Er reagierte mit den folgenden Worten: „Herr Nasseh, das wäre ja auch nur mitteleuropäischer Standard gewesen!“. Danach war ich erst einmal ziemlich perplex. Auch nach reiflicher Überlegung kann ich den Satz nicht anders deuten, als so, wie ich ihn in diesem Moment verstanden habe: als subtile Anspielung auf meine Herkunft.

Ein Satz, der sich auf meinen Migrationshintergrund bezieht und infolgedessen als rassistisch interpretiert werden kann.

Es war mir wichtig, darzulegen, warum ich dem Wissenschaftsminister Boris Rhein den Handschlag verweigert habe und weshalb mich seine Reaktion darauf so fassungslos und betroffen macht.

Ursprünglich erschienen: http://asta-frankfurt.de/aktuelles/persoenliche-erklaerung