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Keine Zensur der Kritik am Sexismus: Auch Rechtsprechungen sollten kritisch überprüft werden

Die Diskussion über Sexismus an Universitäten und die Möglichkeit sich darüber zu äußern beschäftigt aktuell Studierendenschaften und Gerichte. Nachdem das Frankfurter Oberlandesgericht kürzlich dem AStA der Uni Frankfurt die Veröffentlichung eines Artikels in der Studierendenschaftszeitung untersagt hatte, erklärt sich eine große Gruppe an Studierendenschaften und Initiativen solidarisch und kritisierten das Gericht. So auch der AStA der TU Darmstadt. Sexismus und Gewalt gegen Frauen* an aber auch außerhalb der Universität muss im Rahmen der Aufgaben dieser auch angesprochen werden dürfen. Vor diesem Hintergrund wurden die diskutierten Artikel in zensierter Form erneut veröffentlich.

In seiner Begründung stellte das Gericht unter anderem fest, dass eine Studierendenschaft kein Recht habe, über einen Gegenstandsbereich zu berichten, der über die Hochschule hinausgehe. Diesem Urteil muss eindeutig widersprochen werden. Die erneute Veröffentlichung der zensierten Artikel sollte als Protest gegen diese Einschränkung der politischen Handlungsfähigkeit von Studierendenschaften verstanden werden.

Gegen die Artikel wurde von einem „Pick-Up-Artist“ Beschwerde eingelegt, weil er und seine Tätigkeiten am betreffenden Campus durch die Berichte kritisiert wurden. Nachdem das Landgericht die Beschwerde bzw. Klage im Sinne des Presserechts abgelehnt hatte, ging er in die nächste Instanz. Beim Oberlandesgericht erreichte er eine einstweilige Verfügung, weil die Studierendenvertretung mit der Freigabe der Artikel zum einen Persönlichkeitsrechte verletzt haben soll, vor allem aber weil auch ihr Mandat überschritten worden sei. Zur Debatte steht also die Kritik an Sexismus und die Frage, inwieweit Studierendenvertretungen eine solche Kritik formulieren und öffentlich üben dürfen.

Als studentische Organisation veröffentlichten wir alle in Rede stehenden Artikel, um die notwendige Kritik an der sexualisierten Gewalt von „Pick-up-Artists“ zu stärken. Gleichwohl wurde wir in angemessener Form auf die bestehende Rechtsprechung Rücksicht genommen und die Artikel in anonymisierter Form veröffentlicht, sodass Persönlichkeitsrechte weiterhin gewahrt blieben.

Die Vertretungen und Verbände sind sich gleichwohl einig darin, dass Sexismus und Gewalt gegen Frauen* auch im Kontext der Hochschule kritisiert werden muss. Einerseits gebietet das Unrecht, dass es im Rahmen einer zivilen Öffentlichkeit kritisiert werden muss und andererseits ist es nicht von der Hand zu weisen, dass eben auch in Hochschulen sexualisierte Gewalt stattfindet. Sexisten nutzen auch diese Räume für ihre Aktivitäten. Es wäre ein fragwürdiges Zeichen, wenn den studentischen Vertretungen verboten würde, Kritik an Diskriminierung und Gewalt zu üben.

Wir wollen mit Nachdruck den AStA der Universität Frankfurt und die Autor*innen der Artikel stärken und in ihrem Kampf nicht alleine lassen.

Der Euphemismus "Pick-Up-Artist" bezeichnet keine harmlose Freizeitbeschäftigung, sondern vielmehr handelt es sich explizit um psychische und physische Manipulationstechniken, die vorgeblich Durchsetzungsfähigkeit und Selbstsicherheit im Beruf und Alltag sichern sollen. Der "selbstsichere Mann" wendet dann, gemäß den Erkenntnissen in den Seminaren, das Erlernte gegen Frauen* an. Dabei wird kein Widerstand, kein "Nein", kein Desinteresse von Frauen* akzeptiert, sondern vollkommen ignoriert. Dies führt sogar soweit, dass Angehörige der Szene die Legalisierung von Vergewaltigungen und sexualisierter Gewalt fordern. Sensibilisierung und Aufklärung über diese Praktiken, das zugrundeliegende Frauen*bild und die dadurch entstehenden Gefahren für alle Frauen* und Mädchen ist nicht nur an den Hochschulen dringend nötig.

Die vom Oberlandesgericht Frankfurt angeführte Trennung von "Allgemeinpolitik" und "Hochschulpolitik" können wir nicht nachvollziehen und müssen dieser Aussage, dieser Zensur, widersprechen. Wenn sich Studierendenschaften nicht mehr zu Sachverhalten äußern können, die über die Grenzen der Hochschulen hinaus relevant sind, werden sie de facto mundtot gemacht.