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Autonome Tutorien im Sommersemester 2016

Folgende Autonome Tutorien finden in diesem Semester statt. Sofern nicht anders vermerkt, beginnen die Tutorien in der Woche zum 25. April und finden wöchentlich statt. Ein späterer Einstieg ist ohne Probleme möglich. Solltet ihr Interesse daran haben, an einem der Tutorien teilzunehmen, jedoch zum angegebenen Termin keine Zeit habt, schreibt unbedingt eine Mail an die Tutor_in. Meist kann ein Termin gefunden werden, der allen Teilnehmer_innen entgegen kommt. Häufig gestellte Fragen zu den Autonomen Tutorien findest Du hier. Allgemeine Infos zu den Tutorien findest Du hier.

 
Poster Autonome Tutorien SS16

 

Althussers Ansätze zu einer Ideologietheorie

Die Althusser’schen Versuche eine Ideologietheorie zu begründen und so eine klaffende Lücke in der kritisch-materialistischen Theoriebildung zu schließen, sind bekannt. Sie haben eine breite Spur in der nachfolgenden akademischen und außerakademischen Theoriebildung hinterlassen. Althussers Überlegungen bilden einen Grundbestandteil der „cultural studies“ und „gender studies“. Judith Butler und Slavoj Žižek, um nur die bekanntesten zu nennen, arbeiten sich in ihrer Theoriebildung an diesen ebenso ab, wie zahlreiche Studierende geisteswissenschaftlicher Fächer während ihres Studiums.

Nicht selten sind Althussers Thesen dabei allerdings vulgarisiert worden. Zumeist wird der marxistische Horizont, vor welchem diese Thesen formuliert sind, grundsätzlich verkannt, wenn nicht komplett ignoriert. Ebenso häufig wird über die psychoanalytischen Anleihen hinweggehuscht.

In diesem Autonomen Tutorium sollen deshalb die Überlegungen Athussers kontextualisiert werden. Nach einer genauen ersten Lektüre des Textes soll den Bestimmungen zum Ideologie-Begriff bei Marx und Engels, sowie der Freud und Lacan-Rezeption Althussers nachgegangen werden. Außerdem kann auch das mittlerweile auf Deutsch vorliegende Manuskript „Über die Reproduktion“ von Althusser, aus welchem er die Ideologie-Thesen zu ihrer Publikation ausgliederte, konsultiert werden. Mithilfe dieser Elemente soll sodann der Ideologie-Text erneut diskutiert werden. Abschließend kann noch auf einige Interpretationen der Althusser’schen Überlegungen eingegangen werden, wie zum Beispiel auf die oben angesprochenen Butler und Žižek, aber auch auf die Staatstheorie von Nicos Poulantzas, sowie auf Versuche von Schülern Althussers, seine Position weiter auszubauen.

Donnerstags 16:15 – 19:35 Uhr (alle zwei Wochen)
Erstes Treffen: 28. April
Kontakt: Ivo ( ivo.eichhorn@googlemail.com )
Ort: Erstes Treffen: S1|02/344, danach: S103/110

Dieses Tutorium findet ab dem ersten Termin im Abstand von zwei Wochen statt.

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Negative Moralphilosophie

Moral soll in ihrer konstitutiven Wechselhaftigkeit beleuchtet werden. Dadurch soll zum Ausdruck kommen, dass Moral sich durch ein dynamisches Verständnis auszeichnet, das sich dialektisch in den Gegensätzen von Universalismus und Partikularismus bewegt.

Im Kontrast zu festschreibenden und definitorischen Vorstellungen, die von wohl definierten Regeln ausgehen, um das menschliche Zusammenleben bestimmend zu gestalten, drückt ein dynamisches und performatives Verständnis von moralischen Regeln aus, dass Moral als das Produkt der Dynamik von Individuum und Gesellschaft entsteht.

Dass dann auch das Verhältnis von Erkenntnis(-theorie) und Moral zu thematisieren ist, liegt in den möglichen Überschneidungen dieser Ansätze. (Wie ich mich Gegenständen oder Personen gegenüber verhalte, ist grundlegend für Haltung, die ich Anderem/Neuem gegenüber einnehme)

Eine performative Moraltheorie ist kein Regelwerk von Sätzen, die es zu befolgen oder anzuwenden gilt, sondern in ihr spielt das Verhältnis von Subjekt und Objekt eine Rolle. Wie etwas behandelt wird, hängt stark von dessen Stellenwert, den es als Erkenntnisobjekt hat ab. Ist das, was mir gegenübertritt, meiner verfügenden Erkenntnis ausgesetzt oder irritiert mich seine Präsenz auf produktive Weise?

Sowohl Erkenntnistheorie und Moral pflegen dadurch einen Umgang mit dem Unverfügbaren und/oder Offenem. So betrachtet wird Moral nicht zu einer Position, die es einzunehmen oder einer Praxis, die es anzuwenden gilt, sondern Moral gleicht eher einer Irritation, zu der es sich, mit dem Wissen um kein normativ-gutes Gelingen, zu verhalten gilt.

Das dichotome und paradoxe Verhältnis zieht sich durch jegliche Erkenntnis und (leibliche) Wahrnehmung. Wechselseitige Hervorbringung und konstitutive Bedingungen sind der Boden der Dialektik. Jedoch geht es nicht darum, die eine gegen die andere auszuspielen oder die eine Seite zu privilegieren. Es geht vielmehr darum, sie zueinander in ein Verhältnis zu setzen und sie dadurch in ihrer Genese zu erkennen. Das wäre ein Moment der Erkenntnis, das ohne eine Zweck-Mittel-Relation auskommen könnte. Daher erachtet dieses Tutorium es für wichtig, auch etwas zu oder über Erkenntnis zu sagen.. Wer die Erkenntnis der Welt weniger mechanisch sieht, dem entrückt das Erwartbare zwar nicht aus dem Sinn, es verschwindet nicht, sondern es wird aufgehoben. Es findet keine Überwindung von Kausalität statt, sondern das Verständnisschema der Kausalität wird lediglich um eine weitere Facette bereichert. Eine Facette, die es mitzubedenken gilt.

Um diese Denkfigur zu verdeutlichen, bietet sich die Schrift von Ulrich Kohlmann Dialektik der Moral an. Er stellt in drei Bezügen auf klassische Moraltheorien (Kant, Schopenhauer, Nietzsche) die Figur einer negativen Moralphilosophie heraus, wie sie bei Adorno zu finden ist. Um dies zu verdeutlichen, wendet er sich auf die begrifflichen Momente des Schmerz-Impulses, der Erfahrung und der Praxis hin, wie sie bei Adorno zu finden sind.

Donnerstags 13:30 – 15:00 Uhr
Erstes Treffen: 28. April
Kontakt: Jan ( negativemoralphilosophie@gmx.de )
Ort: S1|03/025

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Mensch, Maschine und Natur als Arbeitskraft: Zum Verhältnis von Thermodynamik und Ökonomie

Arbeit isoliert von allen Lebenszusammenhängen (z. B. von traditionellen feudalen und familiären Abhängigkeitsverhältnissen) aufzufassen, als bloße Arbeitskraft, die wie jede andere Ware gekauft und verkauft, sowie beliebig und austauschbar für jede Maschine und Organisation eingespannt werden kann, ist voraussetzungsreich: Erst eines von den Naturwissenschaften bereits tiefgreifend geprägtes Bewusstsein kann dieser abstrakte Weltbezug intuitiv erscheinen, indem nichts heilig, nichts mit sich identisch, sondern immer nur bloßes Mittel für ein anderes sein darf. Dieses bloß mechanische und entzauberte Naturbild sieht Anson Rabinbach als Voraussetzung der Industrialisierung im 19. Jahrhundert. Im Unterschied jedoch zur newtonschen Mechanik, die noch von zahlreichen Kraftquellen ausgeht, vollzieht sich nach Rabinbach in der entstehenden Lehre der Thermodynamik eine folgenreiche Verschiebung: Das vom Physiker und Physiologen Hermann von Helmholtz ausgearbeitete universale Gesetz der Krafterhaltung im Jahre 1847 geht von einer einzigen universalen Kraft aus, die alle Naturkräfte (mechanische, chemische, elektrische usf.), die menschliche Arbeitskraft, sowie die Kräfte der Maschinen gleichermaßen umfasst. Der Kosmos transformiert zum gigantischen „Produktionssystem, dessen Produkt die universale Kraft war, um die Maschinen der Natur und Gesellschaft anzutreiben: ein weitläufiger und proteischer, auf seine Umwandlung in Arbeit harrender Vorrat an Arbeitskraft.“ (Rabinbach) Im Tutorium soll in Anschluss an Anson Rabinbachs Studie „Motor Mensch“ auf das Verhältnis von Thermodynamik und Ökonomie im 19. Jahrhundert im speziellen reflektiert werden, um prinzipieller zu fragen, wie die Wechselbeziehungen von Natur- und Ingenieurwissenschaftlicher Theoriebildung einerseits und gesellschaftlicher Strukturen anderseits angemessen zu denken sind.

Wir freuen uns explizit über TeilnehmerInnen mit fundierten Kenntnissen auf dem Gebiet der Thermodynamik, die ebenso an gesellschaftlichen Fragestellungen interessiert sind.

Freitags 18:05 – 19:35 Uhr
Erstes Treffen: 29. April
Kontakt: Wladimir ( schmuzik@yandex.com )
Ort: S1|03/102

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Wie männlich ist die Wissenschaft?

„Ideen sind den Bärten gleich: die Jugend
und die Frauen haben keine“ (Voltaire)

Die Fragestellung des Tutoriums könnte auch lauten: Warum sind Frauen trotz institutionalisierter Förderung in der Wissenschaft unterrepräsentiert? Meist ist die Herangehensweise an das Thema „Frauen in der Wissenschaft“ entweder eine frauenzentrierte, d.h., dass die Erklärung in Sozialisationsprozessen und spezifisch weiblichen biographischen Verläufen gesucht wird, oder eine institutionenzentrierte, welche sich mit den Strukturen und sozialen Verhältnissen innerhalb der Universität beschäftigt. Eine dritte Perspektive, die eher stiefmütterlich rezipiert wurde und wird, bietet die wissenschaftskritische Auseinandersetzung im namensgebenden Sammelband von Nowotny und Hausen „Wie männlich ist die Wissenschaft?“. Die Fragestellung des Tutoriums befindet sich im Spannungsfeld zwischen der Analyse der Frauen exkludierenden Funktionsweise universitärer Strukturen und der Wissenschaftskritik an der instrumentellen Vernunft, die sich als eine objektive versteht. Des Weiteren ist im Tutorium eine historische Auseinandersetzung mit dem offenen Ausschluss von Frauen aus der Wissenschaft, sowie mit den aktuellen subtileren Formen der Diskriminierung von Frauen und Weiblichkeit vorgesehen. Neben Auszügen aus dem genannten Sammelband bieten Texte von Pierre Bourdieu und Beate Krais die Diskussionsgrundlage. Studierende aller Fachbereiche sind herzlich willkommen. Es sind keine Vorkenntnisse notwendig.

Donnerstags 18:05 – 19:35 Uhr
Erstes Treffen: 28. April
Kontakt: Tizia ( autonomes_tutorium@web.de )
Ort: S1|03/125

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Das Raspberry Pi-Lab

Das Raspberry Pi ist ein kreditkartengroßer Linux-Rechner. Er wurde an der Cambridge University entwickelt, um einen einfachen, spielerischen Zugang zu Programmier- und Hardware-Kenntnissen zu erleichtern. Genau dass, spielerisch, in Bezug auf Kreativität und Experimentierfreude weckend, möchten wir Euch mit diesem Tutorium bieten. Bis Oktober 2015 sind mehr als sieben Millionen Geräte verkauft worden. Es existiert ein vielseitiges Anwendungsspektrum und eine große hilfsbereite Community.

Verbreitet ist etwa, das kleine Gerät als Mini-Server mit Applikationen wie Musikserver oder eine own Cloud laufen zu lassen oder die intelligente Steuerung von Haushaltsgeräten (smart home Projekte). Besonders interessant ist aber die Fähigkeit, eine Brücke zur Elektronik-Welt zu schlagen und verschiedenste Sensoren und Aktuatoren anzuschließen.

Da das Pi selbst Desktop-Funktionalität und Entwicklungsumgebung mitbringt, erleichtert es erheblich den Einstieg in die Embedded-Entwicklung. Zu Beginn des Tutoriums wird einführend die Konfiguration des Betriebssystems und Installation von Software erläutert. Dazu werden auch, soweit nötig, Linux-Grundlagen vermittelt. Danach wird es eine kurze Einführung in die Programmiersprache Python geben, um mit den GPIO-Pins des Pi zu interagieren. Das soll jedoch fortgeschrittene Entwickler nicht abschrecken, auch am Tutorium teilzunehmen, um ihr Wissen weiterzugeben. Jeder ist eingeladen, eigene Projektideen mitzubringen, die wir zusammen im zweiten Teil des Tutoriums umsetzen können. Von der Überwachung der Luftqualität im C-Pool bis zum Detektor für kosmische Hintergrundstrahlung ist vieles denkbar. Hierbei bietet sich eine interdisziplinäre Projektarbeit an (z.B.: Physik & IT, Biologie & IT u.a.). Diverse Kompetenzen/Designideen für interdisziplinäre Projekte, sind im Tutorenteam und unter Euch selbst vorhanden, die Ihr nutzen könnt:

  • Raspberry Pi Kamera / Videostreaming (Analyse von Verhaltensmustern: Bienenstock, andere Biotope im Botanischen Garten der TU Darmstadt)
  • Mobile Stromversorgung (Einsatz des Raspberry Pi für „outdoor/off-power grid“ Projekte)
  • Linux/Unix-Wissen
  • C-Programmierung/Python

Ziel des Tutoriums ist es, Projekte mit wissenschaftlichen Bezug umzusetzen. Das Projekt-Design und der Schwerpunkt bleibt dabei frei Euch überlassen. Wir stehen Euch natürlich beratend zur Seite und helfen Euch auch dabei, in Eurem Projekt einen interdisziplinären Ansatz umzusetzen, damit Euer Projekt vom unterschiedlichen Wissen das jeder mitbringt, profitieren kann.

Last but not least bieten wir Interessierten nach der Einstiegsphase an, Arbeitsweisen aus der agilen Softwareentwicklung kennenzulernen und mit einfließen zu lassen (dies ist keine verbindliche Vorgabe, sondern nur ein Angebot im Rahmen des Tutoriums diese Arbeitsweisen auszuprobieren, für die Teams die dies gerne möchten). Pair Programming oder Elemente aus Scrum für die Qualitätssicherung, Planung und Transparenz im Team könnten Euch helfen Interaktion und Wissensaustausch über Eure unterschiedlichen Kenntnisse und Erfahrungen aus diversen Studiengängen effektiv miteinander zu nutzen.

Dienstags 16:15 – 17:45 Uhr
Erstes Treffen: 26. April
Kontakt: Sandy ( raspytutorium@gmail.com )
Ort: S2|02/C003

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Norm und Abweichung – Provokationen des Ethischen

Ausgehend von der behaupteten Differenz zwischen Norm(alität) und Behinderung – als Abweichung von dieser Norm(alität) – wird eine soziale Wirklichkeit konstruiert, in der Behinderung häufig als Defekt oder Last in den Blick genommen wird. Im Rahmen bioethischer Überlegungen taucht sie v.a. als vermeidbares und dadurch häufig als zu vermeidendes Übel auf. Diese medizinisch-defektologische Sicht analysiert Mechthild Hetzel in ihrer Dissertation Provokationen des Ethischen ausgehend von der Sozialen Lage in Deutschland und anhand der vorherrschenden Diskurse über Behinderung (etwa im Zusammenhang mit PID und Stammzellenforschung). Den dort vorherrschenden diskursethischen und präferenz-utilitaristischen Ansätzen stellt sie eine differenz- und marginalisierungskritische Alternative gegenüber, die sich von der Dichotomie von Norm und Abweichung, Regel und Ausnahme freizumachen bemüht.

Wie werden Menschen mit Behinderung durch die übliche Rede über sie ausgegrenzt? Inwiefern manifestiert sich darin ein Herrschaftsverhältnis? Diesen und anderen Fragen, die euch und uns in diesem Zusammenhang interessieren, wollen wir im Tutorium gemeinsam nachgehen und die in Hetzels Studie vorliegenden Beobachtungen und Überlegungen diskutieren. Dazu möchten wir zu Beginn des Tutoriums mit euch gemeinsam Schwerpunkte setzen.

Dabei können wir ausgehen von Hetzels eigenem Anliegen: Der Klärung des Status von Behinderung sowie der Suche nach einem Verständnis des Ethischen, das mehr wäre als ein bloß anzuwendender Regelkatalog. Damit richtet sie sich gegen die „gegenwärtige Tendenz einer Algorithmisierung moralischer Entscheidungsfindung“. Welchen Ethikbegriff versucht Hetzel demgegenüber zu entwickeln? Welche Rolle spielen wissenproduzierende Akteure, also das Verhältnis von Wissen und Macht? Welche der Begriff der Person – verstanden als Eigenschaft, die man inne hat, oder als Status, den man zugeschrieben bekommt und entsprechend auch aberkannt bekommen kann. „Person ist damit jenes soziale Verhältnis, das den Menschen erst zum Menschen macht, und dessen Aberkennung für ihn tödlich ist.“ (Jantzen)

Schwerpunkte und Textauswahl werden in der ersten Sitzung gemeinsam besprochen und festgelegt. Gerne könnt ihr Textvorschläge o.ä. einbringen. Auch der regelmäßige Termin kann in der ersten Sitzung diskutiert werden, so dass möglichst alle Interessierten teilnehmen können.

Korrigiert: Donnerstags 16:15 – 17:45 Uhr
Erstes Treffen: 28. April
Kontakt: Maike & Anja ( norm_abweichung@arcor.de )
Ort: S1|03/107 (außer am 30.06.16: S1|03/110)

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Nietzsche und Adorno

„Man mag im besten Rechte sein, wenn man vor der blonden Bestie auf dem Grunde aller vornehmen Rassen die Furcht nicht los wird und auf der Hut ist: aber wer möchte nicht hundertmal lieber sich fürchten, wenn er zugleich bewundern darf, als sich nicht fürchten, aber dabei den ekelhaften Anblick des Mißratenen, Verkleinerten, Verkümmerten, Vergifteten nicht mehr loswerden können?“

Diese Sätze stammen von Nietzsche aus seiner „Zur Genealogie der Moral“ von 1887. Man kann sich gut vorstellen, wie die Nazis später diesen und viele andere Sätze von Nietzsche mit Freude gelesen haben. Auch direkte Aussagen von Himmler, Hitler und Konsorten ähneln Nietzsches Gedanken sehr. So z.B. in einer Ansprache Hitlers vor den Oberbefehlshabern der Wehrmacht im August 1939, in der er die unbarmherzige Empfehlung ausspricht: „Herz verschließen gegen Mitleid. Der Stärkere hat das Recht. Größte Härte“.

Dies alles könnte Nietzsches Moraltheorie für eine Wiederverwendung disqualifizieren. Darum ist es gerade um so verwunderlicher, dass ausgerechnet Adorno sich ausdrücklich und affirmativ auf bestimmte Aspekte von Nietzsches Moralphilosophie bezieht. Wir wollen daher im Tutorium der Frage nachgehen, inwiefern Nietzsches Überlegungen über Moral für eine Kritische Theorie nützlich sein können und ob sie auch vielleicht sogar für eine soziologische Analyse der Narrative, die von Pegida verwendet werden, brauchbar sind.

Freitags 16:15 – 17:45 Uhr
Erstes Treffen: 29. April
Kontakt: Martin ( sapens_martin@gmx.de )
Ort: S1|03/110

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Do-it-yourself: Handwerkliches Können oder Pseudo-Aktivität?

Repaircafés, Bürgerwerkstatt, Kleiderbörse, Kreativshops oder Urban Gardening: Ökonomisch in vielen Branchen indes überflüssig scheint das Kleinhandwerk in verwandelter Form wiederzukehren; Praxen des Selber-Machens erfreuen sich in hochindustrialisierten und hoch arbeitsteilig organisierten Gesellschaften größter Beliebtheit. Selbst ist der Herr (oder die Frau).

Der Do-it-yourself-Gedanke (DIY) erstreckt sich vom selbst gebastelten 3D-Drucker, der als Ausgleich vom 'theorie-lastigen' Studium erfahren wird, bis zur mit eigenen Händen geernteten Tomate, die nicht nur einen besseren Geschmack verspricht, sondern ebenso Vorbotin einer nachhaltigen Ökonomie sein soll - der berühmte 'kleine Schritt' zur Veränderung des Ganzen.

Bereits in den 50'er und 60'er Jahren des letzten Jahrhunderts kritisierte Adorno die DIY-Bewegung als eine Form der „Pseudo-Aktivität“. DIY ist „institutionalisiert fehlgeleitete Spontaneität“, was die Akteure „schaffen, hat etwas Überflüssiges“. Nach Adorno wohnt ihr ein regressives Moment inne: Die selbst produzierten Dinge fallen in der Regel hinter dem faktisch Produziertem oder dem potentiell Möglichem, bemessen am aktuellen Stand der Produktivkräfte (dem technischen Stand), weit zurück. Die ggf. freigesetzte Kreativität und Spontanität innerhalb der DIY-Praxen verpuffen in der Belang- und Folgelosigkeit für die gesellschaftlichen Strukturen. Konservative Theoretiker dagegen sprechen oft von einer Wiederbelebung vom „Geist des Handwerks“ (u.a. Richard Sennet und Nicole Karafyllis), die eine handwerkliche Produktionsweise keinesfalls als obsolet und handwerkliche Fähigkeiten als schützenswert erachten.

In diesem Spannungsfeld zwischen Lob der handwerklichen Erfahrung und dessen Kritik als Form der fehlgeleiteten Spontaneität im Sinne Adornos versuchen wir in dem Tutorium Elemente heraus zu arbeiten, wie eine sinnvolle Betätigung im Sinne des DIY wohl aussehen könnte.

Dienstags 19:15 – 20:45 Uhr
Erstes Treffen: 26. April
Kontakt: Amrei ( diy_tutorium@web.de )
Ort: S1|03/10

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Zwei Vorschläge eines zeitgemäßen Sozialismus

Sich gegenwärtig für einen Sozialismus zu engagieren, scheint abwegig und nötig zugleich.

Abwegig; weil man mit dem Sozialismus einen toten Hund ausgräbt. Die sozialistische Idee scheint auf den ersten Blick gründlich diskreditiert und als Alternative zum globalen Kapitalismus denkbar unrealistisch. Das sozialistische Projekt im 20. Jahrhundert führte zu Stalinismus und autoritärem Staat und wurde schließlich von jenen gestürzt, denen es vorgeblich zugutekommen sollte. Nicht nur scheint der Sozialismus heute deshalb vielen eher eine Drohung als ein Versprechen zu sein, auch die Chance einer Realisierbarkeit scheint angesichts der politischen Kräfteverhältnisse und Komplexität des globalen Kapitalismus kaum gegeben.

Nötig; weil mit dem globalen Kapitalismus auf vielfache Weise Unfreiheit, Ausbeutung und Unterdrückung fortbestehen. Angesichts der gesellschaftlichen Krise, dem Erstarken von rechtspopulistischen/faschistischen Bewegungen in Europa und der Schwäche der politischen Linken fehlt eine überzeugende Alternative zur gegenwärtigen Misere schmerzlich.

Dass der Sozialismus auch heute noch eben eine solche Alternative sein könnte, diese Überzeugung teilen zwei Bücher, die in den letzten beiden Jahren erschienen sind – 2014 Dietmar Daths Klassenkampf im Dunkeln. Zehn zeitgemäße sozialistische Übungen und 2015 Axel Honneths Die Idee des Sozialismus. Beide Bücher versuchen auf sehr unterschiedliche Weise das sozialistische Projekt zu erneuern. Nicht nur trauen sie der sozialistischen Idee eine Antwort auf die Frage zu, in welche Richtung die gegenwärtige Gesellschaft zum Zweck der Emanzipation zu verändern wäre. Auch versuchen sie zu benennen, welche Konsequenzen eine Aktualisierung der sozialistischen Idee aus den Fehlentwicklungen des Realsozialismus zu ziehen hätte und auf welche realisierten Möglichkeitsbedingungen sich ein sozialistisches Projekt heute berufen könnte.

Eben diese beiden Bücher wird das autonome Tutorium behandeln – und mit ihnen die Frage nach der Aktualität des Sozialismus. Vorkenntnisse sind nicht erforderlich.

Dienstags 16:15 – 17:45 Uhr
Erstes Treffen: 26. April
Kontakt: Johannes ( johannes.luetkepohl@gmx.de )
Ort: S1|15/021

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Das Bild der Hölle – Auschwitz im Film

„Nicht wir, die Überlebenden, sind die wirklichen Zeugen […]. Wir Überlebenden sind nicht nur eine verschwindend kleine, sondern auch anormale Minderheit: Wir sind die, die aufgrund von Pflichtverletzung, aufgrund ihrer Geschicklichkeit oder ihres Glücks den tiefsten Punkt des Abgrunds nicht berührt haben. Wer ihn berührt [...] hat, konnte nicht mehr zurückkehren, um zu berichten, oder er ist stumm geworden.“ (Primo Levi)

Warum also wird im zeitgenössischen Kino so oft ihre Geschichten erzählt? Ob nun in Schindlers Liste, Das Leben ist schön oder im jüngst in den Kinos erschienenen Son of Saul: Das richtige Handeln wird als ein prinzipiell Mögliches dargestellt. Die Protagonisten wissen nicht nur, was richtig ist, sie können es auch tun. Ignoriert wird die objektive Struktur, die dem Einzelnen keine Wahl lässt, sich ihr zu unterwerfen. Nötig wäre dagegen eine Inszenierung, die sich mit der Ausweglosigkeit der Todesfabriken auseinandersetzt und ihre entmenschlichende Rationalität darstellen würde. Eine Inszenierung, die sich des Problems bewusst wäre, dass ohne handlungsfähiges Individuum die Voraussetzung für Politik und Moral schlechterdings nicht gegeben ist. Eine Inszenierung also, die nicht versuchte das Individuum vor seiner Zerstörung zu retten, sondern diese zur Kenntnis nimmt und in ihrer Radikalität darstellte.

Doch ist dies überhaupt mit den dramatischen Mitteln einer Erzählung möglich? Wie würde sich dies konkret darstellen lassen? Gibt es nicht vielleicht sogar Filme, denen dies gelingt? Hat nicht Claude Lannzmann mit seinem mehrstündigen Film Shoah, der auf jegliche Inszenierung des vergangenen verzichtet, einen solchen Film vorgelegt?

Im Tutorium wollen wir verschiedene filmische Versuche der Darstellung von bzw. Auseinandersetzung mit Auschwitz besprechen. Es soll unter anderem darum gehen, wie die Konzentrationslager und Ghettos, die Beziehungen zwischen den Häftlingen untereinander ebenso wie zur Lagerleitung bzw. den Wachmannschaften gestalten und wie diese Gruppen insgesamt dargestellt werden. Was tun die Protagonisten oder besser was können sie tun: Ist richtiges Handeln noch möglich oder scheitert es? Welche Vorstellung von ihren Handlungsmöglichkeiten wird vermittelt? Gelingt eine Inszenierung, die die historische Wirklichkeit der Konzentrationslager adäquat widerspiegelt – lässt sich diese Frage so überhaupt stellen?

Das Tutorium richtet sich an Studierende aller Fachrichtungen. Kenntnisse über den Nationalsozialismus respektive über Auschwitz sind hilfreich. Die behandelten Filme und Texte sollen in der ersten Sitzung zusammen mit den Teilnehmer*innen ausgewählt werden.

Montags 18:05 – 19:35 Uhr
Erstes Treffen: 25. April
Kontakt: Michael ( auschwitz_at@posteo.de )
Ort: S1|03/025

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Kalifornische Ideologie

Was haben Transhumanismus, Google und das iPhone, also die Vision der Verschmelzung von Mensch und Maschine, ein Hightech Unternehmen, welches die Märkte der Welt erobern möchte und ein Smartphone gemeinsam? Sie entspringen allesamt der sogenannten kalifornischen Ideologie. Dieser Begriff wurde von den Medientheoretikern Richard Barbrook und Andy Cameron geprägt um eine neuartige Entwicklung, die sich in Kalifornien manifestierte, zu beschreiben. Dort fand eine Verschmelzung der Ausläufer der amerikanischen Hippie-Gegenkultur mit dem Hightech-Kapitalismus des Silicon Valley statt. Extremer Individualismus und ein unabhängiger Unternehmergeist sind dabei zwei der Kernpunkte dieser Ideologie, die eine bessere Welt alleine durch technischen Fortschritt näher rücken sieht. Eine Analyse von Herrschaftsverhältnissen sucht man vergeblich und das nicht zufällig. So werden Klassengegensätze nicht geleugnet, sie tauchen erst gar nicht auf, schließlich hat doch jede*r die gleichen Voraussetzungen um die Welt ein bisschen besser zu machen.

Eine Gemeinsamkeit der eigentlich zueinander in Widerspruch stehenden Ideologien von Hippietum und Hightech-Kapitalismus ist die Skepsis gegenüber dem Staat. In der Realität sieht es natürlich anders aus, ohne Milliarden aus dem US-Verteidigungsministerium würde es das Internet in der heutigen Form kaum geben. Trotzdem wird Politik eher als Hindernis gesehen, gegenüber freier technischer Entfaltung. In dieser schönen neuen Welt werden die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verwischt, jeder wird zu einem Kleinunternehmer und wir leben mit der Vorstellung, dass es für jedes Problem die passende App gibt. Letzteres scheint auch die Lösung aller weltlichen Probleme in der Theorie der Akzelerationisten zu sein, die, böse gesprochen, den Kapitalismus einfach wegtechnisieren wollen. Allerdings ohne die Produktionsgrundlagen der von ihnen fetischisierten Technik selbst in den Blick zu nehmen.

In unserem Tutorium möchten wir darüber diskutieren, ob der Begriff der „kalifornischen Ideologie“ angemessen ist und inwieweit sich diese Ideologie globalisiert. Ist die oben beschriebene Entwicklung, der natürliche Lauf der Dinge? Gibt es progressive oder reaktionäre Gegenbewegungen? Insbesondere möchten wir prüfen, ob ein marx'scher Ideologiebegriff heute auf diesen Gegenstand anwendbar ist.

Freitags 09:50 – 11:20 Uhr
Erstes Treffen: 29. April
Kontakt: Matthias & Oliver ( at_ki_2016@gmx.de )
Ort: S1|03/209 (außer am 10.06.: S1|03/116 und 08.07.: S1|03/175)

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Überlegungen zu einer negativen Anthropologie: Marx, Freud, Adorno, Plessner & Sonnemann

Anthropologisches Denken, die Lehre vom Menschen, hat einen schlechten Ruf: In hitzigen Diskussion ist in der Regel der Vorwurf einer 'anthropologischen Argumentation' problematisierend gemeint und in den allermeisten Fällen auch durchaus gerechtfertigt, allzu oft dient der Rekurs auf die unveränderliche 'Natur des Menschen' der Rechtfertigung von Herrschaftsverhältnissen. Es ist auch kein großes Geheimnis, dass die sog. „Philosophische Anthropologie“, in den 1920'er Jahren in Deutschland entstanden, mit Max Scheler (Die Stellung des Menschen im Kosmos) und Arnold Gehlen („Mensch als Mängelwesen“) vor allem von konservativen Denkern dominiert wurde. Vor allem sog. poststrukturalistische Denker, die oft auch als „Anti-Humanisten“ bezeichnet wurden, sehen im Dechiffrieren scheinbar natürlicher Wesensbestimmungen des Menschen die wesentliche Aufgabe der Kritik. Ebenso haben die Kritischen Theoretiker den Begriff einer philosophischen Anthropologie vermieden und vor allem in den frühen Schriften und in öffentlichen Beiträgen in Radio und Fernsehen beispielsweise von einer „Anthropologie des bürgerlichen Individuums“ (Horkheimer) gesprochen, die auf die faktische Beschaffenheit des Menschen innerhalb einer kapitalistischen Gesellschaft zielt und nicht auf die Natur des Menschen als solche. Desto überraschender mag es zunächst anmuten, wenn in der Vorrede der Dialektik der Aufklärung von Horkheimer und Adorno dennoch von einer „dialektischen Anthropologie“ die Rede ist, sowie in der Vorrede der Negativen Dialektik von Adorno eine inhaltliche „Übereinstimmung“ mit Ulrich Sonnemanns Negative Anthropologie festgestellt wird.

Im Tutorium wollen wir der Frage nachgehen, wie eine kritische Anthropologie ggf. möglich ist, ohne freilich ein Bild eines (zukünftigen) Menschen auspinseln zu wollen. Hierzu nehmen wir Bezug auf die Ökonomisch-philosophischen Manuskripte des frühen Marx, den Begriff des „mimetischen Vermögens“ bei Adorno und Horkheimer, des „Todestriebes“ und „Wiederholzwanges“ bei Freud, des „Eros“ bei Marcuse, der „exzentrischen Positionalität“ bei Plessner und Hans Heinz Holz. Darüber hinaus sollen erste Einblicke in Sonnemanns Negative Anthropologie versucht werden.

Montags 18:05 – 19:35 Uhr
Erstes Treffen: 25. April
Kontakt: Mirko ( mirko.stieber@gmail.com )
Ort: S1|03/164

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Das Einfache, das schwer zu machen ist. Brechts Entwurf eines philosophischen Theaters

„Unser Theater muss die Lust am Erkennen erregen, den Spaß an der Veränderung der Wirklichkeit organisieren. Unsere Zuschauer müssen nicht nur hören, wie man den gefesselten Prometheus befreit, sondern sich auch in der Lust schulen ihn zu befreien.“ (Bertolt Brecht)

Diesen Anspruch ernst nehmend wollen wir uns im kommenden Semester mit einigen von Brechts umstrittensten Stücken wie Die Maßnahme auseinandersetzen. Es geht dabei um nicht weniger als die Frage, wie ein richtiges, ein gutes Leben möglich sein soll, solange die Menschen dazu gezwungen sind, „[i]n der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens […] bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein[zugehen].“ (Marx) Nur dass die Form der Auseinandersetzung mit dieser Frage keine begrifflich analytische, sondern eine dramatische ist. Anstatt also darzulegen, wodurch bspw. Handlungen beschränkt bzw. ermöglicht werden, wird gezeigt, in welche Paradoxien Individuen geraten, wenn sie zu handeln beginnen.

Im Tutorium soll es sowohl um die in den Dramen dargestellten Konflikte und Widersprüche, als auch um das Drama als spezifische Form der Darstellung gesellschaftlicher Widersprüche und Konflikte gehen. Ziel ist es die philosophischen und politischen Implikationen und Konsequenzen dieser Stücke herauszuarbeiten und sie als philosophischen Beitrag zur Veränderung der Verhältnisse ernst zu nehmen.

Das Tutorium richtet sich an alle an Theater, Literatur und Philosophie Interessierten. Vorkenntnisse sind nicht erforderlich. Die Auswahl der Texte sowie das Vorgehen im Semester soll in der ersten Sitzung gemeinsam besprochen und festgelegt werden. Hier könnt ihr euch gerne einbringen!

Dienstags 18:05 – 19:35 Uhr
Erstes Treffen: 26. April
Kontakt: Michael & Jörg ( brecht_at@posteo.de )
Ort: S1|03/164

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Kritik des Postnazismus und Postfaschismus

Mit den Begriffen Postfaschismus und Postnazismus wird das strukturelle, institutionelle sowie ideologische Nachleben des faschistischen und nationalsozialistischen Erbes in den europäischen Gegenwartsgesellschaften zum Gegenstand der Kritik erhoben. Dass die erstmals von Adorno im Jahr 1959 geäußerte These, das Fortwirken des Nationalsozialismus sei in der Demokratie gefährlicher als gegen die Demokratie, in Deutschland weitestgehend Ablehnung und Empörung ausgelöst hat, ist aufgrund ihrer Tendenz zur geschichtspolitischen Nestbeschmutzung nicht sonderlich verwunderlich. Schon eher fragwürdig ist, wieso diese These auch im Feld kritischer Sozialwissenschaft nur selten diskutiert wird. Was dann nämlich auf der Strecke bleibt, ist die kritische Analyse einer ganzen Reihe an gesellschaftlich-ideologischen Entwicklungen, die auf die Aktualität des nationalsozialistischen oder faschistischen Erbes hinweisen. Zu nennen wäre hier das ganze Repertoire an ideologischen Verdrängungsmechanismen, mit denen sich die deutsche Mehrheitsgesellschaft der kollektiven Verantwortung für die nationalsozialistischen Verbrechen entledigt hat, um endlich wieder einen „positiven“ Bezug zur deutschen Nation herstellen zu können.

Im Rahmen dieses Tutoriums soll der Versuch unternommen werden, sich dem auch gegenwärtig noch wenig ausformulierten Programm einer Kritik des Postfaschismus und Postnazismus zu widmen. Es soll dabei um die Frage gehen, was genau unter diesem Kritikansatz zu verstehen ist und inwiefern dieser auch im 21. Jahrhundert noch aktuell ist. Im Rahmen wöchentlicher Treffen wollen wir verschiedene Ansätze einer politischen Ökonomie, Sozialpsychologie und Ideologiekritik des Postfaschismus/-nazismus gemeinsam diskutieren. Darüber hinaus wollen wir dieses anhand konkreter Gegenstandsbereiche und Fallbeispiele genauer unter die Lupe nehmen. Möglich wäre beispielsweise eine detaillierte Beschäftigung mit den Veränderungen vorherrschender Erinnerungspolitik im postnazistischen Deutschland, postfaschistischen Italien oder postfranquistischen Spanien.

Mittwochs 16:15 – 17:45 Uhr
Erstes Treffen: 27. April
Kontakt: Helge ( petersen.helge@web.de )
Ort: S1|03/107

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